Bei der Premiere des Buchs “Soundtrack meiner Kindheit“ trat auch die legendäre Ost-Band Silly mit der Sängerin Anna Loos auf - unplugged.

Hamburg. Wenn jemand ein Buch über seine Kindheit schreibt, dann muss ihm die eigene Person sehr wichtig sein. Oder? Schon beim Lesen von Jan Josef Liefers' Erinnerungsbuch "Soundtrack meiner Kindheit" schwante uns, dass dem Schauspieler und Sänger hier die Quadratur des Kreises gelungen sei: sich wichtig sein, ohne sich wichtig zu nehmen.

Bei der Lesung am Mittwochabend im rettungslos ausverkauften Uebel & Gefährlich - viele traurige Fans mussten draußen bleiben - führte Liefers das Kunststück des Verschwindens des Egos hinter dem literarischen Selbstporträt nun live vor. Und wieder rieben wir uns die Augen und fragten uns: Wie macht er das? Wie kann einer etwa den eigenen Beitrag zu einem historisch entscheidenden Augenblick der DDR in ihrem Endstadium so genau schildern und gleichzeitig die Luft komplett rein halten vom Ruch des Eigenlobs oder des Weihrauchs in eigener Sache?

Liefers hat damals etwas getan, was aufgrund der Zeitumstände auf ihn zulief: Er hielt eine kurze Rede bei der riesigen Demonstration am 4. November 1989 auf dem Alexanderplatz in Berlin, nach den Kollegen Johanna Schall und Ulrich Mühe und vor dem DDR-Top-Geheimagenten Markus Wolf. Wenige Tage später war die Mauer offen.

Der Trick, mit dem Jan Josef Liefers sich selbst auf Distanz hielt: Er las das Eigene wie eine fremde Geschichte, und so hat er sie wohl auch geschrieben. Lakonisch, mit Wärme und Ironie, DDR ohne Goldrand. Er sei wie wir alle, sagte Liefers. Auch er habe lange verdrängt und vergessen. Als ihm sein Vater zum 40. Geburtstag den Zusammenschnitt alter Super-8-Stummfilme aus seinen Kinder- und frühen Jugendjahren schenkte, behandelte er die Bilder wohl nicht nur mit autobiografischem Interesse, sondern zugleich mit der Neugier eines Menschen, der dergleichen von unbekannt auf dem Flohmarkt erwirbt.

Die musikalische Tonspur, die sich beim Betrachten der Filme nach und nach in Liefers' Fantasie rekonstruierte und die seit einigen Jahren die Folie für seine Song-Auftritte mit der Band Oblivion abgibt, überließ er an diesem Lese- und Musikabend der Band Silly. Für den großen Erfolg im Westen, wie ihn Karat, City oder die Puhdys schon zu DDR-Zeiten einfahren konnten, waren die Songs von Silly zu verspielt, zu clever und zu subversiv.

Vor zwei Jahren hat Liefers' Ehefrau Anna Loos als Sängerin die Nachfolge der unvergessenen Tamara Danz angetreten. Eine gute Wahl: Anna Loos überzeugte mit ihrer Leidenschaft, Energie und Stimmsicherheit auch in der Unplugged-Ausgabe der Band. Während Jäcki Reznicek (Bass), Uwe Hassbecker (Gitarre) und Ritchie Barton (Klavier) noch immer wie sanft feminine Rockengel auftreten, hat Anna Loos ordentlich Biss.

Der NDR eröffnete mit der Veranstaltung die Reihe "Der Norden liest" und feierte zugleich das zehnjährige Bestehen seines Kulturjournals. Das am Ende von der NDR-Moderatorin Julia Westlake eingeforderte Duett zwischen den Eheleuten Loos und Liefers musste musikalisch misslingen, da Liefers die Tonlage zu hoch war.

Der Freude aller Beteiligten und der Seligkeit des Publikums tat dies keinen Abbruch.