Der Hamburger Rapper reiste mit fünf Jugendlichen quer durch Deutschland, die Frage im Koffer: Wie und was ist dieses Land?

Hamburg. 1977 in Hamburg geboren, Hautfarbe: dunkel, 31 Jahre alt, als Rap-Musiker erfolgreich wie kein anderer Deutscher - und nachdenklicher als andere. Gedanken macht sich Samy Deluxe, der in seinen Texten gesellschaftliche Missstände hart anprangert, um seine Heimat: "Wir müssen was für unser Land tun, für unser Ego. Dies ist der Startschuss für die Kampagne, es geht los. Ziele sind gesteckt und extrem groß. Es ist phänomenal, egal, was ihr auch sagt. Ich werd beweisen, dass ich mehr für Deutschland mach als der Staat", rappt er im Titelsong seines im Mai erschienenen Albums "Dis is wo ich herkomm".

Seit zwei Jahren macht er damit Ernst - in seinem Hamburger Projekt "Crossover e. V." ( www.crossover-ev.de ), in dem er gemeinsam mit Julia von Dohnányi und dem Basketballer Marvin Willoughby jedes Jahr Schüler unterschiedlicher Stadtteile und Schulformen zusammenbringt, Sport und Rap-Workshops macht - damit sie lernen, miteinander zu reden, zu spielen und zu arbeiten. Sich was trauen und Vorfahrt fürs Kreative, das sind oft neue Erfahrungen.

Er sieht, dass er selbst und andere viel zu wenig wissen über Deutschland, dass viele keine Ahnung haben von dem, was außerhalb ihrer beschränkten Wahrnehmungsbezirke läuft. Deshalb ist er im Juni mit fünf Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 20 Jahren losgezogen: In einem Tour-Bus fuhr er mit Betty-Lindsey Denson-Tietz (20, Hamburg), Manuel Deutsch (20, Obergruppenbach bei Heilbronn), Ewald Breit (15, Kößlarn in Bayern), Finn Hinrichs (16, Bremerhaven) und Sophie Niebergall (19, Lüneburg) 14 Tage lang 6000 Kilometer durch Deutschland. Um herauszufinden: Was ist eigentlich Deutschland? Was ist los in diesem Land? Wie hängt das alles zusammen? Und: Was kann ich tun? Für mich, für andere?

Sie haben ganz unterschiedliche Menschen getroffen, neben Deluxe-Freunden wie dem Koch Tim Mälzer, dem Autor Moritz Rinke oder Lotto King Karl (die alle zeigen: Seht her, man kann's schaffen) auch Deutsche ohne Promi-Status. Sie haben deren Lebenseinstellungen und Gedankenwelten kennengelernt. Sie waren beim Hermannsdenkmal im Teutoburger Wald und am Holocaust-Mahnmal in Berlin. Sie besuchten ein Theater auf Usedom, das nur mit viel Idealismus überlebt, sahen Schrebergärten, die Bayreuther Festspiele und die Stasi-Zentrale in Leipzig. Heraus kamen lange und intensive Gespräche, das Überprüfen der eigenen Position und hier und da auch ein Umdenken.

Ausgewählt hatten die Stationen Samy Deluxe und Julia von Dohnányi - mit Bedacht haben sie Gegensätze gesucht, die zur Diskussion anregen. Das ZDF hat das Abenteuer Deutschland in fünf Teilen aufgezeichnet. Sie sind ansehbar in der ZDF-Mediathek unter www.zdf.de , Stichwort: Samy.

Was schnell ankam in der Gruppe, war der Team-Gedanke. Hier haben sich junge Menschen aufeinander und ein Abenteuer eingelassen, die zum Teil noch nicht weit aus dem eigenen Dorf herausgekommen waren.

Was bleibt? Die Erfahrung des Holocaust-Mahnmals hat lange nachgewirkt. Julia von Dohnányi sagt: "Wir haben erlebt, was Schule so meist nicht vermitteln kann; wir haben gesehen, dass Bildung viele Lücken hat, kulturelle Bildung oft ein Fremdwort ist." Es war, so sieht sie es, eine große Horizonterweiterung für alle Beteiligten. Samy Deluxe sieht das so: "Ich hab schon das Gefühl: Bei diesen fünf Leuten sind jetzt ein paar Schalter umgelegt. Auch wenn wir nur im Kleinen arbeiten, ist das wichtig - wenn es dieses Symbolische hat, dass andere sich das auch anschauen können."

Hat sich auch die Einstellung zu Deutschland verändert? "Ja und nein", sagt die Mitorganisatorin. Verändert habe sich vor allem die Einstellung zu sich selbst: "Die Jugendlichen haben die Erfahrung gemacht, sich zu öffnen und neue Erlebnisse in den Alltag zu integrieren." Ein guter Beweis sind die Pläne, die sie jetzt haben: Ewald will einen Auslandsaufenthalt in Amerika anpacken, Sophie macht ein Praktikum bei Crossover, und Bettie hat sich für einen Schauspielkursus angemeldet.

Heute Abend kommen alle wieder nach Hamburg - dorthin, wo die Reise losging. Zu einer Talkshow (s. u.), die am Freitag im digitalen ZDF-Infokanal ausgestrahlt wird (21.30 Uhr). Auch bei Samy Deluxe hat sich während der Reise etwas verändert. "Ich schau jetzt auf der Autobahn eher auf die braunen Schilder, die auf Kulturorte hinweisen, statt nur auf Abfahrten. Und habe ein noch stärkeres Gefühl dafür, was ich als Künstler bewegen sollte und kann."