Der Musikchef des NDR 90,3 zeigt in “UnderCover“, dass die Wiedervereinigung bestens vorbereitet war - jedenfalls musikalisch.

Hamburg. Den wahren Sammler erkennt man daran, dass bereits erbeutete Schätze für ihn weniger zählen als das, was er noch nicht in seine Höhle geschleppt hat. Wie viele Schallplatten er besitzt, ist Klaus-Peter Otto deswegen auch ziemlich egal. "Mich interessiert viel mehr, welche Platten mir noch fehlen", sagt der Musikchef von NDR 90,3. Er steht im Foyer des Neubaus seines Senders vor einer imposanten Wand, an der in Reih und Glied Schallplattenhüllen mit kleinen Schraubhaken fixiert sind. Anhand einiger Hundert Exemplare - Singles und LPs - möchte Otto anlässlich des 20. Jahrestags des Mauerfalls in einer Ausstellung zeigen, dass die Wiedervereinigung zwischen Ost und West bestens vorbereitet war - jedenfalls musikalisch.

"UnderCover" heißt die Schau, wobei der beabsichtigte Hintersinn des Titels etwas in die Irre führt. Denn es ist gerade das auf dem Cover Sichtbare, das Otto zu seinem Beitrag zur deutsch-deutschen Musikgeschichtsschreibung inspiriert hat. Otto, Jahrgang 1954, ist in der DDR aufgewachsen und begann als 14-Jähriger, Platten zu kaufen. West-Platten, versteht sich: "Einmal im Monat, an einem Montag um 11 Uhr, bekam der Laden bei uns in Neubrandenburg neue Ware. Wenn vor dem Geschäft eine Schlange stand, stiegen die Chancen, dass man an eine West-Platte kam. Die wurde dann blind gekauft." Auf diese Weise häufte Otto unter gelegentlicher Zuhilfenahme von Schmiergeld streng limitierte, in der DDR gepresste Lizenzaufnahmen an, deren Hüllen von Amiga-Grafikern gestaltet worden waren. Auf Reisen in das befreundete sozialistische Ausland kamen Trouvaillen hinzu, etwa eine im Titel lautmalerisch ins Kyrillsche verballhornte Louis-Armstrong-Platte oder eine bulgarische Pressung von "Like a Virgin" von Madonna.

"Meine Freunde kauften sich von ihrem Jugendweihegeld einen Kassettenrekorder, ich einen Plattenspieler. Mich hat die Schallplatte immer fasziniert. Ich wollte beim Musikhören etwas in der Hand haben." Erst nach der Wende wandte sich Otto der einheimischen Produktion zu. Auf Flohmärkten kaufte er Platten von DDR-Schlagersängern wie Manfred Krug, Volkmar Böhm, Frank Schöbel oder Günter Hapke. Manche Künstler sind längst vergessen, andere, wie City, Nina Hagen oder Karat, reüssierten auch im Westen. Zu Ottos Prunkstücken gehört die lückenlose Sammlung der Compilation "Amiga Express", eine Art Jahresbestenliste des DDR-Schlagerwesens seit 1953.

Zu Hause hütet Otto auch haufenweise Rock und Jazz made in GDR im Plattenregal, doch als Musikchef der Schlagerwelle des NDR hat er sich für diese Ausstellung auf das entsprechende Repertoire beschränkt. Der Systemvergleich Plattenhülle Ost - Plattenhülle West fördert indes keine großen Überraschungen zutage: Behauptung oder Vortäuschung der heilen Welt sind im Schlager universell. Die Plattenhüllen bieten anschaulichen Geschichtsunterricht nicht nur für Ostalgiker; auch durch die inszenierte Fröhlichkeit vieler Bilder hindurch riecht es nach Braunkohle.