Am besten ist Rock 'n' Roll, wenn er anarchisch ist. Und schon immer hat laute Musik, die von Dächern schallt, für einen Menschenauflauf gesorgt.

Hamburg. Am besten ist Rock 'n' Roll, wenn er anarchisch ist. Und schon immer hat laute Musik, die von Dächern schallt, für einen Menschenauflauf gesorgt. Weshalb auch Duncan Townsend die Reeperbahn zum Brodeln brachte, als er am späten Donnerstagabend mit seiner Band auf ein Vordach an der Ecke Reeperbahn/Hein-Hoyer-Straße stieg, um zünftige Rockmusik zu intonieren.

Die Aufmerksamkeit von Festivalbesuchern, Reeperbahn-Flaneuren und Polizisten war ihm in diesem Moment jedenfalls sicher.

Der Kiez hat dank der Beatles-Zeit im Hamburg der 60er-Jahre seinen festen Platz in den Lexika der Popkultur. Das gilt jedoch noch nicht für die meisten der jungen Bands, die in den Klubs um die Reeperbahn spielen. Es ist eine Entdeckungsreise, auf die Festivalbesucher gehen. Frühzeitiges Erscheinen ist Pflicht. Der erste Tag war ausverkauft!

Der wunderbar hippieske J. Tillman, im Hauptberuf Schlagzeuger bei den Fleet Foxes, etwa trat im Imperial-Theater auf. Mit vulgärer Rockmusik hat der zarte Folk des Amerikaners so gar nichts zu tun. Die Musiker sehen aus wie Waldschrate und man würde gerne bis zum Ende bleiben. Das geht aber nicht; wenn es ein Problem beim Reeperbahn-Festival gibt, dann ist es, Entscheidungen zu treffen - bleiben oder gehen? Björn Kleinhenz, Songwriter aus Schweden, wartet in der proppevollen Hasenschaukel. Der feingliedrige junge Mann zupft die Akustikgitarre. Seine Songs sind so charmant wie die altmodischen Kacheln, vor denen er singt. Zwei Jungs halten es trotzdem nicht aus: "Zu traurig, die Musik", rufen sie und schwingen ihre Beck's-Flaschen.

Die drei adretten jungen Damen mit Ponyfrisuren von Au Revoir Simone versprühen über ihren Keyboards wippend jede Menge Retro-Charme im Imperial-Theater. Vor der belagerten Tür spielen sich dramatische Szenen ab. Ein Fan verkündet auf Englisch, 13 000 Kilometer angereist zu sein, um die New Yorker Band zu sehen - es wird ihm nicht helfen. Gegenüber lassen sich leicht erschöpfte Festivalgänger in die Ledersessel von Angie's Nightclub sinken, um den flauschigen Gesängen der schwedischen Folkzauberin Dear Euphoria zu lauschen.

Im Molotow ist es wie immer sagenhaft eng, heiß und stickig. Alles klebt, auf der Bühne knüppeln die Waliser "Future Of The Left". Die richtige Einstimmung für Dinosaur Jr., die die Nacht im Docks beschließen. Und wer J. Mascis, den Haudegen, auf der Bühne sieht, weiß: Man ist nie zu alt, um einem Rockpublikum eine gute Zeit zu bereiten.

Reeperbahn-Festival 2009 Sa 26.9., Ein-Tages-Ticket 28,- an den Tageskassen; www.reeperbahnfestival.com

Das Online-Videotagebuch vom Reeperbahn-Festival im Internet unter: www.abendblatt.de/reeperbahnfestival