Reinhard Wittmann hatte die Idee, und alle machten mit: 1989 bekam Hamburg das zweite Literaturhaus in Deutschland.

Hamburg. Die Geschichte über die Entstehung des Hamburger Literaturhauses klingt rückblickend wie ein Abenteuer. Ein Abenteuer zwischen Senatsgehege und verrückten Leidenschaften, bei dem Freundschaften, vertrauliche Informationen, willige Literaturliebhaber und begeisterungsfähige Mäzene aufs Innigste zusammenarbeiteten.

Fragt man den damaligen Literaturreferenten Hamburgs - den heutigen Leiter des Münchner Literaturhauses - Reinhard Wittmann danach, wie Hamburg zu seinem Literaturhaus kam, hört man Geschichten von engagierten Bürgern und entschlossenen Politikern, von Plänen, die, kaum geboren, schon in die Tat umgesetzt wurden. In Hamburg ein Literaturhaus aufzubauen, das war Wittmanns Idee. Er hatte zuvor in Berlin gelebt und sich in seiner Doktorarbeit mit dem Berliner Literarischen Leben beschäftigt. Berlin (West) war damals das einzige Bundesland, das ein Literaturhaus hatte. So etwas müsste doch auch in Hamburg möglich sein, dachte sich Wittmann, als er 1985 nach Hamburg kam. "Im Juli 1985 hat mir ein Kollege aus der Kulturbehörde den Tipp gegeben, dass es die leer stehende Villa am Schwanenwik gibt", sagt Wittmann. "Nachdem ich das Haus besichtigt hatte, wusste ich: Das ist es! Im August 1985 hab ich Kultursenatorin Helga Schuchardt ein Konzept vorgelegt, in dem alles schon drinstand, was hinterher realisiert worden ist. Ich war selbst überrascht, wie schnell manches ging."

Um das Ganze voranzutreiben, wurde ein befreundeter Journalist informiert, und der schrieb einen Artikel: "Neuer Plan der Kulturbehörde - Ein Haus für die schreibende Zunft". In der Behörde wunderte man sich, wer denn da schon plane, aber man musste reagieren.

Der nächste Schritt war die Gründung eines Vereins. "Man kann in einer Behörde keinen Plan voranbringen, wenn die Politik nicht den Eindruck hat, dass das von außen enorm gewünscht wird", erzählt Wittmann. Für die Gründungsveranstaltung im Hinterzimmer des Hotels Reichshof gewann Wittmann 13 Persönlichkeiten des literarischen Lebens. "Die Satzung hab ich mir durch einen Boten bringen lassen", sagt Wittmann lachend, "damit niemand in der Behörde vorher den Brief aufmacht. Die hätten ja gemerkt, dass ich dahinterstecke."

Von diesem Zeitpunkt an lief alles über den Literaturhaus-Verein, die Mitglieder ließen ihre Beziehungen spielen. Heute gehören dem Verein 700 Mitglieder an. 1986 legte der Verein ein Finanzkonzept vor. Damals wie heute war der Haushalt klamm. "Ein Haus mit allem Drum und Dran zu finanzieren, das hätte die Stadt nicht ermöglichen können. Nur das Gebäude sollte sie sanieren", sagt Wittmann. "Der Verein würde das Haus bewirtschaften. Für das Programm brauchte man weitere Mittel."

Durch den Buchhändler Wilfried Weber kam Mäzen Eddy Lübbert ins Spiel, der eine Million Mark zur Verfügung stellte. Ein weiteres Signal war gesetzt: Es gibt Menschen, die für ein Literaturhaus Geld spenden. Wenn die Stadt kein Geld zur Verfügung gestellt hätte, wäre das private Geld verfallen. "Dieses Spiel zwischen privatem Engagement und der öffentlichen Hand war der Motor, um das Projekt vorwärtszubringen", weiß Wittmann.

In dem noch nicht renovierten Haus hat der Verein dann bereits 1987 mit einem Programm begonnen, um Zweifel am Sinn dieser neuen Einrichtung zu zerstreuen. Die Stadt als Eigentümer hatte ihm das Haus für 250 Mark im Monat vermietet. Jeder Widerspruch verstummte spätestens jetzt, weil das Programm sehr gut angenommen wurde.

Kultursenator Ingo von Münch hatte dann eine Begehung des Literaturhauses mit "Zeit"-Verleger Gerd Bucerius. Durch die anderthalb Millionen Mark der "Zeit"-Stiftung konnte das Literaturhaus umfassend denkmalgerecht saniert werden.

Wie preiswert doch damals alles noch war. "Die gesamte Villa konnte man für 1,4 Millionen Mark kaufen", sagt Wittmann. Der Betrieb des Hauses sollte 150 000 Mark kosten.

Im Januar 1989 begann der Umbau, im September 1989 wurde das Literaturhaus eröffnet. Seither gab es in dem Schmuckstück am Schwanenwik, das heute Rainer Moritz leitet, mehr als 2000 literarische Veranstaltungen. Nobelpreisträger wie José Saramago, Günter Grass, Elfriede Jelinek und Orhan Pamuk haben hier gelesen, aber auch Nachwuchs- und Bestsellerautoren, Philosophen, Künstler, und viele andere, die die weiße Villa zu dem machten, was sie heute ist. Rainer Moritz sagt es so: "Das Schmuckstück am Schwanenwik ist der Mittelpunkt des literarischen Lebens der Hansestadt."