Weltpremiere war in London. Nächsten Freitag kommt das Spektakel “Ben Hur Live“ in die Color-Line-Arena.

London. Draußen, vor dem riesigen Kuppelbau der O2-Arena, stehen ein paar versprengte Aktivisten von Peta, das Amüsiervolk rauscht an ihnen vorbei in Richtung des Entertainmenttempels. Der ist ein futuristischer, aber auch sakraler Bau, bis 2005 hieß er schlicht The Dome. Die Schilder der Tierschützer sind rührend schlicht, Filzschrift auf Pappe: "Ben Hur - Hell for Animals", heißt es.

Es ist die letzte schlichte Aussage an diesem Abend im Londoner Stadtteil Greenwich, danach geht es nur noch um überhöhte Menschheitsbotschaften, um künstlerische und produktionstechnische Superlative. Die Weltpremiere des Musicals "Ben Hur Live" steht bevor. Und damit eine mit Spannung erwartete Neuschöpfung im Unterhaltungsbereich, die mehr als groß angekündigt wurde. Die Zahlen, die vor der ersten Show lanciert wurden, verhießen bislang ungeahnte Dimensionen für ein Musical. Doch was oft pures Wortgeklingel und abgeschmackter Werbesprech ist, trifft bei der deutsch-englischen Produktion wirklich den Kern: Die Inszenierung der Römerzeit-Geschichte um den Prinzen Judah Ben Hur ist gigantisch und wirklich sehenswert. Die Handlung spielt auf einer Fläche von 2500 Quadratmetern. Sieben Hauptdarsteller tragen das Gerüst des Plots; nur das klingt noch relativ bescheiden. Denn damit das Septett sich nicht auf dem Sand der riesigen Spielfläche verliert, ist es dort nur höchst selten in trauter Runde zu sehen: 70 Akrobaten oder Tänzer und 70 Statisten bevölkern das antike Setting. Erzählt wird die Geschichte des jüdischen Prinzen, der fälschlich des versuchten Mordes am römischen Gouverneur angeklagt wird. Ben Hur, im gleichnamigen Film aus dem Jahr 1959 von Charlton Heston dargestellt, hofft auf die Hilfe seines Jugendfreundes Messala. Doch der verrät ihn. Aus Eifersucht, wie der gebannt folgende Zuschauer später erfährt. Ben Hur wird Sklave auf einer Galeere und verliert seine Familie aus den Augen. Er überlebt nur, weil ihm Rachegelüste zu einem zähen Trotz verhelfen.

Der Film setzte vor 50 Jahren Maßstäbe, seine elf Oscars sind bis heute nicht übertroffen. Ähnlich erfolgreich könnte nun die Musical-Inszenierung werden. Sie ist mit ihrer Größe eine Folge der Arenabauten, die ein Publikum wie in einem Fußballstadion fassen. Die 16 500 Zuschauer fassende O2-World war fast ausverkauft. "Ben Hur", im Original ein Roman von Lewis Wallace, vermählt dramatische Handlung mit epischer Tiefe. Während die Sprache der Dialoge in der Arena das Aramäische (die Sprache Palästinas zu Zeiten Jesu) und das Lateinische sind, spricht einzig der Erzähler, der die Handlung mit seinen Erklärungen unterfüttert, englisch.

Als Erzähler tritt in London Stewart Copeland auf, früher Schlagzeuger bei der New-Wave-Band The Police, in den vergangenen Jahren aber besonders durch seine Soundtrack-Arbeiten (u. a. für Francis Ford Coppola und Oliver Stone) in Erscheinung getreten.

Für die deutschen Shows wird er durch Ben Becker ersetzt. Dessen Bass ist noch dröhnender als der Copelands und dürfte eine ähnlich souveräne Autorität ausstrahlen. Wenn Copeland die Zuschauer mit narrativer Kraft durch das Epos führt, schweigt das Londoner Publikum - bei den Spielhandlungen, die ohne die ordnende Hand des Erzählers auskommen, tobt es, als säße man selbst im Circus Maximus. Johlen, Jubel und Klatschen - die temporeiche Geschichte, in der sich Galeeren-Schlachtszenen, orientalisches Marktleben, bacchantische Orgien und tragische Begegnungen abwechseln, fesselt.

Doch was ist "Ben Hur Live" eigentlich? Jedesfalls viel mehr als nur Musical: eine Rockoper, eine filmische Inszenierung, "Monutainment", monumentale Unterhaltung. Ein visuelles Ereignis erster Güte, das als Action-Stück funktioniert, als Mythos der ewigen Werte - oder aber als christliche Heilsgeschichte. Letztere transportiert die tiefere Botschaft, gerade in der Gestalt Jesu.

Angeblich hat Produzent Franz Abraham, ein Deutscher, 15 Jahre mit dem Stoff gerungen. Was am Ende dabei herausgekommen ist, zeugt von künstlerischer Perfektion. Das 360-Grad-Bühnendesign quillt über vor Ideen. Es ist eigentlich immer etwas los auf der Riesenbühne; man weiß gar nicht, wo man zuerst hinschauen soll. Überall passiert etwas. Bei der vorletzten großen Szene der internationalen Produktion, die von renommierten Technikern, Tänzern, Darstellern, Regisseuren und Designern getragen wird, ist der Fokus hingegen verengt auf den dramatischen Höhepunkt: das Wagenrennen mit fünf Quadrigen. Die Stunts wurden von dem Berliner Pferdetrainer Nicki Pfeifer einstudiert. Tierschützer wird er damit nicht zu seinen Freunden machen; die bestens dressierten Pferde werden trotzdem zu den Stars der Show. Besonders wenn sie nah an den Zuschauern in den unteren Reihen vorbeipreschen, dass der Sand nur so spritzt.

Was für ein Spektakel!

Ben Hur Live ist am 25. und 26. September in der ColorLine-Arena in Hamburg zu sehen. Tickets gibt es in allen Abendblatt-Ticketshops und unter Tel. 30 30 98 98. Infos unter www.benhurlive.de