Er hat Fernsehgeschichte geschrieben: Der Vater der Sendung “Aktenzeichen XY ... ungelöst“ starb im Alter von 80 Jahren in einem Seniorenheim.

Hamburg. Die Brillen, die Eduard Zimmermann in den über 30 Jahren seines Wirkens im Fernsehen trug, waren zwar meist viel zu groß, ließen aber auf unbedingten Durchblick schließen. Einem Mann mit einem solchen Gestell im ernsten, weichen Gesicht konnte keiner was vormachen, am wenigsten jene, die etwas auf dem Kerbholz hatten. "Ganoven-Ede", wie manche den TV-Kriminalisten nannten, wurde mit der von ihm entwickelten und jahrzehntelang moderierten Sendung "Aktenzeichen XY ... ungelöst" zum Paten des Reality-TV in Deutschland. Am Sonnabend ist Eduard Zimmermann nach langer Krankheit im Alter von 80 Jahren in einem Seniorenheim in München gestorben.

Die Kriminalfälle, die er vor den Augen eines gespannten und hilfsbereiten Publikums im ZDF ab Oktober 1967 aufrollte, waren zwar mit Schauspielern nachgestellt, hatten sich jedoch genauso ereignet. Alle Details waren sorgfältig nach den Polizeiakten rekonstruiert. Bis heute konnten 42 Prozent der in den Sendungen verhandelten Fälle gelöst werden.

Zimmermann, Jahrgang 1929, hatte Bauzeichner gelernt. Nach Kriegsende schlug er sich mit Schwarzmarkthandel durch, wie er in seiner 2005 erschienenen Autobiografie "Auch ich war ein Ganove" bekannte, und saß deswegen kurzzeitig in Fuhlsbüttel ein. Nach mehreren Versuchen, in Schweden als politischer Flüchtling anerkannt zu werden, reiste Zimmermann im Sommer 1949 als Reporter im Auftrag der Tageszeitung "Dagens Nyheter" unter einem Decknamen in die Sowjetisch Besetzte Zone ein, wo er verhaftet und von einem sowjetischen Militärgericht als Spion zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Nach viereinhalb Jahren kam er frei, feierte dies als "meinen zweiten Geburtstag" und ließ sich 1954 in Hamburg nieder, wo er für Zeitungen und den NDR arbeitete. 1959 stellte ihn der Sender als Redakteur an, drei Jahre später wechselte Zimmermann zum ZDF.

Zum Vorläufer von "Aktenzeichen XY" wurde 1964 die Sendung "Vorsicht, Falle! Nepper, Schlepper, Bauernfänger", in der Zimmermann Fälle von Trickbetrügerei fernsehöffentlich machte. Ab 1967 wurde er zu Deutschlands bekanntestem Verbrecherjäger. 1997 gab er nach 300 Folgen die Moderation ab. Seinen letzten Auftritt in der Öffentlichkeit absolvierte Zimmermann zur Feier der 400. Ausgabe des "Aktenzeichens" im Mai 2007.

Das Studiodekor mit wuchtigem Schreibtisch und allzeit dienstbereitem Telefon, von dem aus Zimmermann mit den Ermittlerkollegen aus Österreich und der Schweiz ("Herr Vetterli, was haben Sie?") telefonierte, hat sich als eines der zentralen Fernsehsettings der bundesdeutschen 60er- und 70er-Jahre ins kollektive Gedächtnis eingegraben.

Zimmermann polarisierte. Die einen kritisierten das Prinzip seiner Sendung als Einladung zur Denunziation. Die anderen priesen die erweiterten Fahndungsmöglichkeiten durch das Medium Fernsehen.

Zimmermann bekam die Goldene Kamera, den Grimme-Preis und das Bundesverdienstkreuz, er ist auch Sheriff ehrenhalber der Internationalen Polizei-Assoziation, und der Bund Deutscher Kriminalbeamter führt ihn seit 1997 als "Hauptkommissar a.D.". 1976 gründete er den Verein "Weisser Ring" für Kriminalitätsopfer, dem er bis 1994 vorsaß.

ZDF-Intendant Markus Schächter würdigte den Verstorbenen als "steten Sucher nach der Wahrheit". Zimmermanns Tochter Sabine sagte kurz nach dem Tod ihres Vaters: "Er hat immer selbstbestimmt gelebt und in den letzten Stunden deutlich gezeigt, dass es jetzt gut und der richtige Zeitpunkt gekommen ist."