Der geistige Austausch liegt ihm am Herzen: Gestern öffnete Wilfried Weber seine Räume für den 100. Geburtstag der Campe'schen Kunststiftung.

Hamburg. Auf diesen Treppenstufen haben schon viele bedeutende Persönlichkeiten gesessen, um erstklassigen Autoren bei ihren Lesungen zu lauschen. Und kaum ein Hamburger, der Wert auf anspruchsvolle und besondere Literatur legt, der nicht schon einmal in der Hamburger Bücherstube Felix Jud am Neuen Wall 13 in den wunderschönen Kirschholzregalen das passende Buch gefunden hat. Prominente wie Romy Schneider, Peter Zadek, Horst Janssen, Sir Peter Ustinov und die Verleger Harry Rowohlt, Axel Springer und Marion Gräfin Dönhoff waren in Hamburgs literarischem Kleinod Stammkunden. Heute sind es bekannte Hamburger wie die Warburgs, Berenbergs, Reemtsmas, Bernstorffs, Siegfried Lenz, Minister a. D. Manfred Lahnstein, die Bürgermeister a. D. Klaus von Dohnanyi und Henning Voscherau, Designer Peter Schmidt, Ballett-Chef John Neumeier. Oder jüngst Modezar Karl Lagerfeld, der seit 25 Jahren regelmäßig ganze Büchersendungen vorab aus Paris bestellt und sie gerne persönlich in Hamburg abholt.

"Unsere Kunden sollen sehen, dass wir Besonderes haben. Wir bieten aktuelle Belletristik, Lyrik und eine Riesenauswahl an Klassikern. Dazu besonders schöne Kinderbücher mit originellen Illustrationen, seltene Geschichtsbücher und natürlich ausgefallene Kunst wie zum Beispiel von Neo Rauch", sagt Wilfried Weber. Zusammen mit der Hamburger Kunsthistorikerin und Literaturwissenschaftlerin Marina Krauth ist der 67-Jährige seit 1972 Inhaber des Geschäftes auf drei Etagen in der Mellin-Passage.

Wilfried Weber hebt ein massives, hell eingebundenes Buch mit Holzschnitten auf den dicken Papierseiten in die Höhe. Das Buch "Der jüdische Krieg" ist ein Prachtexemplar und rund 500 Jahre alt - es steht im "Schatzkästchen" der Bücherstube, dem Antiquariat in der zweiten Etage mit bis zu 800 exquisiten, mitunter luxuriösen Originalen. "Wir sind deshalb aber überhaupt nicht edel oder verstaubt. Im Gegenteil, wir legen großen Wert auf neue und auch lustige Literatur aller Stilrichtungen. Natürlich haben wir auch eine Internetseite", sagt der im katholischen Rheinland aufgewachsene Weber. Das Flüchtlingskind aus dem ehemals böhmisch-tschechischen Grenzgebiet ging bei einem Neusser Kunsthistoriker in die Lehre.

Anfang der 60er-Jahre zog Wilfried Weber nach Hamburg und stieg 1962 bei Felix Jud am Neuen Wall 13 ein. Kaum eine Hamburger Persönlichkeit, die der oft verschmitzt lächelnde Mann nicht kennt. "Persönlicher Kontakt ist enorm wichtig. Der kritische Dialog und das Weiterfragen ist unsere Hauptaufgabe. Und natürlich der Spaß. Bei uns geht es anspruchsvoll familiär zu und es wird sehr viel gelacht."

Sein augenzwinkernder Humor geht so weit, dass der Hobbygärtner am Zaun seines liebevoll gepflegten Rosengartens in Harvestehude einen Klingelbeutel aufgehängt hat. Wann immer Bekannte bei ihm für ein Schwätzchen am Gartenzaun stehen bleiben, werfen sie ein paar Münzen hinein. "Wer mich kennt, weiß, dass er nach so einem 'Beratungsgespräch einen Obolus leisten muss. Den spende ich dann für die Michel-Restaurierung", erzählt Weber und grinst.

Seine Bücherstube sieht der Hobby-Lyriker als geistigen Raum für Sammler (meist Männer) und Leser (mehrheitlich Frauen) und für den intellektuellen Austausch. Wilfried Weber unterstützt die Arbeit der Hamburgischen Staatsoper und des Literaturhauses.

Weil seine Buchhandlung Mieter der Campe'schen Historischen Kunststiftung ist, welche in diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen feiert, wurde sie gestern wieder zum Treffpunkt der geistigen Elite Hamburgs. "Mit den anderen Mietern des Hauses Neuer Wall 13 wollten wir mit einem Fest an die großherzige Stiftung von Julius Heinrich Wilhelm Campe, dem Verleger-Sohn, erinnern", sagte Wilfried Weber. Dominique Horwitz las zum Jubiläum der Campe'schen Kunststiftung Gedichte von Heinrich Heine und aus dem Briefwechsel zwischen Heine und seinem Verleger Campe.