Die größte Überraschung für den Ex-Bundesligatrainer: Mit Künstlern kann man stundenlang über Fußball reden.

Hamburg. Du bist doch einer von uns, hat Moritz Rinke zu ihm gesagt. Einer von uns meint: ein Schriftsteller. Jörg Berger, den meisten bekannt als ehemaliger Fußball-Bundesligatrainer bei Köln, Frankfurt und Schalke, sieht sehr zufrieden aus, als er das erzählt. Ein bisschen stolz sogar. Er hat ein Buch geschrieben über sein Leben, seine Flucht in den Westen, seine Krebserkrankung. "Meine zwei Halbzeiten" ist zugleich Biografie und deutsch-deutsche Geschichte, im März ist es im Rowohlt-Verlag erschienen. Eine neue Branche, neue Berufserfahrungen, neue Kontakte für den Sportsmann. So fragte man ihn, ob er die deutsche Autorennationalmannschaft beim Länderspiel gegen die Türkei im Rahmen des Harbour Front Festivals betreuen wollte. "Eine ideale Verbindung", fand Berger. Und sagte zu.

Warum, was haben Fußball und Literatur gemeinsam? Das Ungewisse, sagt Berger: "Man schreibt ein Jahr an einem Buch und weiß nicht, was am Ende dabei rauskommt. Oder man stellt eine Mannschaft zusammen, hat ein Konzept - und muss dann im Lauf der Saison sehen, ob es auch funktioniert." Risiko - ein Begriff, der immer wieder im Leben von Jörg Berger auftaucht. Erst mit dem Schreiben sei ihm das bewusst geworden: wie viel er riskiert habe, vor allem vor dreißig Jahren, im März 1979: Der damals 34 Jahre alte Trainer nutzte eine Reise der DDR-Jugendnationalmannschaft nach Jugoslawien zur Flucht in den Westen. "Ich weiß heute durch das Schreiben viel mehr über mein Leben. Was für ein Glück ich hatte, was für einen Mut auch", sagt er. Nun also erneut der Mut, Neuland zu betreten, in diesem Falle: die Welt der Einzelkämpfer, der Verkopften, der Intellektuellen. Ein "fußballkultureller Abend" soll es werden, was einem Ex-Trainer durchaus Angst einjagen könnte.

Berger winkt ab: "Ach was, Schriftsteller sind ein bisschen anders als der Rest, aber das sind nette, lockere Jungs." Mit den Jungs - darunter Moritz Rinke, Thomas Brussig, Albert Ostermaier - ist er übrigens, anders in seinen drei Jahrzehnten als Bundesligatrainer, per Du: "Hier gehöre ich doch dazu."

Fußball interessiert die unterschiedlichsten Bereiche - diese Erfahrung hat Jörg Berger immer wieder gemacht. Vor allem die "Kunstszene" hat ihn überrascht: "Moritz Rinke weiß alles über Fußball, genauso Marius Müller-Westernhagen. Mit vielen Künstlern, bei denen man es gar nicht erwartet, kann man stundenlang über Fußball reden." Und was findet er anstrengender - Lesung oder Spiel? Jörg Berger überlegt. "Druck ist bei beidem da", sagt er. So wie das Interesse der Öffentlichkeit. Frei sprechen über sein Buch, das konnte Berger. Das hatte er auf Hunderten Pressekonferenzen gelernt. Schwer fiel ihm das laute Lesen: "Das musste ich mühsam lernen. Wann liest man denn auch laut in seinem Leben? Höchstens mal für die Kinder zum Einschlafen."