Neun Tage überlebt eine Kakerlake mit abgebissenem Kopf, bevor sie verhungert. Rein statistisch. Und Journalisten gehen für eine gute Story “über Leichen“, so vermuten 74 Prozent der Bevölkerung, auch das sagt die Statistik, was aber 54 Prozent nicht daran hindert, dem Beruf des Tageschreibers ein hohes gesellschaftliches Ansehen einzuräumen.

Rein statistisch existiert zu jedem Thema eine Studie, Gegenstudie oder Umfrage - außer zu: "Glauben Sie an Statistiken?" Je nach Interpretation der Datenlage dienen sie dem Wahlkampf ("FDP-Wähler haben den häufigsten Sex"), der Aufklärung ("Störche sterben aus: schuld am Geburtenrückgang?") und bieten Themen für Büroküchen-Lästerei ("Frauen kramen 76 Tage ihres Lebens in Handtaschen", "Jeder Vierte hält sich für den richtigen Mann für Iris Berben", "Am liebsten wird über Kollegen gelästert").

Es ist ein Geschäft, Meinungen in Schlagzeilenkürze zu produzieren; sie sollten nicht mit Realität verwechselt werden. Z. B. lästern 50 Prozent aller Deutschen nie, aber das hört sich nicht so sexy an. Um eine Umfrage "repräsentativ" erscheinen zu lassen, reicht es, knapp 1000 Leute ab 14 Jahren zu befragen; manche Umfrager sind geschickt darin, sich die "richtigen" auszusuchen, je nachdem, welche These unterstützt werden soll.

Zwei Milliarden Euro jährlich erhalten Marktforscher von Politik, Medien und Unternehmen, um uns zu durchleuchten, zu Diagrammtörtchen zu verarbeiten und gefällig zu präsentieren. Auf dass der Politiker weiß, wie wichtig er uns ist, die Industrie, wie sie Glückstalmi verkloppen kann - und außerdem brauchen wir Journalisten was zu schreiben; launige Umfrage-Aufmacher gehen immer. Eselstritte sind tödlicher als Flugzeugabstürze, Frauen essen in Gegenwart von Männern weniger, und die meisten Ehen werden nach 26 Jahren geschieden. Uiuiuiui, und alle wollen dann Frau Berben heiraten? Oder standen auf dem Umfragebogen noch Angela Merkel, Guido Westerwelle und Daisy Duck als potenzielle Partner, da blieb nur die Iris zum Ankreuzen? Sagen Sie uns Ihre Meinung, wir machen schon was draus ... Doch, Statistiken sind praktisch. Wie Dixi-Klos. Man kann sie überall hinstellen, und nur wenige wagen es, tiefer hineinzusehen.

Warum der Vatikanstaat das kriminellste Land der Welt ist und andere Beispiele, wie Statistiken missinterpretiert werden: "So lügt man mit Statistik" von Walter Krämer (Piper, 7,95 Euro). Umfragen zum Selbstinterpretieren: www.statista.com