42 Theater unterhielten mit Ballett, Comedy, Kabarett, Schauspiel, Musik und Party die gut 15.500 Besucher.

Hamburg. Ein Theaterkritiker kennt die Theater. Einige wie seine Westentasche. Andere weniger gut. Wo kann ich noch das Abenteuer in der Theaternacht finden, um das ich viele Besucher beneide? Sie können sich ihre Herzenswünsche erfüllen. Einmal in der Staatsoper mit Simone Young singen. Oder die angehimmelten Ballett-Solisten hautnah erleben.

Abendblatt-Gewinner dürfen sogar in der weißen Stretch-Limousine durch die Nacht kutschieren. Zuvor haben sie "ihren" Auftritt. "Für uns ist das eine Premiere", frohlockt Heike Bukowski. Sie lässt sich elegant neben ihrem Mann Michael in die Ledersitze fallen. Auch Birte Rosenkranz und Freundin Karola Neu werden bestaunt, fotografiert und beneidet: "Das müssen sehr wichtige Leute sein." Der große Shakespeare hat doch immer recht: "Die ganze Welt ist eine Bühne und alle Frau'n und Männer, bloße Spieler."

Mein Motto für den Abend: Ich schaue mal einigen von den 15 500 Lebensschauspielern in der Theaternacht bei ihrem Theater um das Theater zu. Die ganze Stadt wird für mich zur Bühne in den fünf Stunden bis zur Mitternacht. Während die Luxus-Fahrer Sekt schlürfen und Beinfreiheit wie in keinem Theater genießen, nehme ich meine Beine in die Hand, um das Alsterschiff zu kapern. Die "Quateerslüüd" ist voll ausgebucht, und Kapitän Sven Kirpke sticht seelenruhig "in See" - denn es herrscht kein shakespearscher "Sturm!". Soll der sich mal derweil im Theater N.N. austoben. Ohne mich. Kenn ich schon. Ich genieße den stimmungsvollen Dämmertörn in Richtung Kampnagel. Nicht einfach für die Eleven der Stage Art Musical School im Studio Hamburg, sich gegen das "Natur-Schau-Spiel" zu behaupten.

Von Bord gegangen, locken mich fremde Töne ins Kampnagel-Foyer. Mire, die Sirene mit der kecken Mütze von der Tüdelband, singt plattdeutschen Pop. Dann stoße ich noch auf einen anderen liebenswürdigen "Narren" von shakespeareschem Format: In Bärenfellhaube schenkt er Wodka aus und übt sich in Publikumsbeschimpfung: "Hier ist kein Affenzoo, kein Servicecenter, hier geht es rein um Abzocke!" Dann schlägt er mit klammen Fingern in die Gitarresaiten, um "sowohl Aggression wie Depression zu transformieren". Ein Philosoph zum Kugeln. Im Bus 404 in Richtung Komödie Winterhuder Fährhaus werde ich Zeuge einer komischen Zoff-Szene: Er: "Wohin willst du denn jetzt ?" Sie: "In die Kammerspiele!" Er: "Aber ..." Sie: "Ich kenn mich aus. Guck doch auf den Plan!" Er (kleinlaut): "Wenn du meinst, wir können es ja versuchen." Brauche nicht mehr in die Komödie nach "Des Widerspenstigen Zähmung".

In der U 1 knutschen "Romeo und Julia" im Echtalter von 15 Jahren. Er bezirzt sie mit einer Flasche Cidre "Pomme Jacque". Küsschen. Schlückchen. Küsschen. Ich denke: "Adam revanchiert sich bei Eva mit Apfelwein." Sie sagt (gespielt trotzig): "Ich hab jetzt Lust auf Ballett!" Blondchen weiß, was es will. Romeo folgt brav. Poetischer turteln Ophelia und Hamlet im Malersaal. Anstatt zu chatten oder kurz zu simsen, schreibt der Prinz lange Liebesbriefe. Und seine süße Angebetete spielt astrein Cello. Hat mir der verflixte Will doch noch ein Schnippchen geschlagen - und mich mit seinem "Hamlet" auf der Bühne des Jungen Schauspielhauses eingeholt. Ein Theaterkritiker entkommt dem Theater nicht. Schon gar nicht in der Theaternacht.