Fatih Akin hat seinen Hamburg-Film “Soul Kitchen“ präsentiert. Peter Zander traf ihn gestern kurz vor der Premiere in Venedig.

Endlich ist er ganz entspannt. Die Nacht hat Fatih Akin vor Aufregung kaum ein Auge zugetan. Er ist auch etwas angeschlagen, weil er sich im Kindergarten seines Sohnes einen Schnupfen eingefangen hat. Aber das Schlimmste hat der Regisseur schon hinter sich. Gestern Abend hatte sein Film "Soul Kitchen" Premiere auf dem Filmfestival von Venedig, als viertletzter Wettbewerbsbeitrag. Am Vormittag aber gab es schon eine Pressevorführung, und da kam "Soul Kitchen" gut an. Das, gibt Akin offen zu, hat ihn am meisten geängstigt: ob auch die Italiener und das internationale Publikum über seinen Hamburg-Film lachen könnten. "Das erste Klassenziel", atmet er auf, "haben wir schon mal erreicht." Und so hockt er nun, vor der abendlichen Galavorführung, gut gelaunt in einem überdimensionalen Korbstuhl. Auf der Terrasse des noblen Excelsior-Hotels, wo die Stars des Festivals ihre Interviews geben.

"Soul Kitchen" ist laut Eigendefinition ein "schmutziger Heimatfilm". Und weil es für den Genre-Begriff im Ausland keine Entsprechung gibt, heißt es auch im internationalen Presseheft "dirty Heimatfilm". Aber einen, den man auch über die Landesgrenzen hinweg versteht. Das titelgebende Lokal in Wilhelmsburg ist erst mal eine Art Fast-Food-Kantine für die Anwohner. Doch dann macht ein neuer Koch aus der Hausmannskost plötzlich Haute Cuisine, indem er von den Fischstäbchen das Paniermehl abkratzt und mit Kräutern garniert. Dazu gibt es Live-Musik und einen selbst ernannten DJ. So wird der Laden zum Szenelokal, zum hippen In-Treff. Bis aalglatte Immobilienspekulanten das Geschäft mit dem trendigen Kiez wittern.

Die Plattsanierung von Stadtvierteln, das gibt es auch in anderen Metropolen leidlich zu beobachten. Gentrifizierung heißt das auf Neudeutsch. Akin nimmt diese Entwicklung satirisch aufs Korn. Und wo sein Herz dabei schlägt, das zeigt er, indem er eigens an Locations drehte, die bald nicht mehr da sein, die plattgemacht werden oder doch vom Abriss bedroht sind. Das alte Karstadt-Gebäude in Altona etwa, die Astra-Stube an der Sternbrücke, das Mandarin-Kasino. "Ich wollte", sagt Akin, "ein Hamburg zeigen, dass es in fünf bis zehn Jahren so nicht mehr gibt."

Nach all den Filmen, die er anderswo gedreht hat, sei er gar nicht mehr in der Lage gewesen, die Exotik seiner Stadt zu empfinden: "Das war kein filmischer Ort mehr für mich." Aber er empfand das tiefe Bedürfnis, nicht schon wieder in Hotels wohnen zu müssen, "sondern aus der Haustür, auf dem Fahrrad zum Set und abends wieder nach Hause". Und nachdem ein Westernprojekt in den Staaten erst mal ins Stocken geriet, beschloss er, "einen Western in Hamburg" zu machen.

Während er das sagt, wird ihm eine Schale Pommes Frites gereicht. Akin lacht: "Passt ja prima zum Film." Zugleich schaut er auf den Tisch gegenüber, an dem Moritz Bleibtreu Interviews gibt. Der hat, nach "Solino" und "Im Juli", nun schon das dritte Mal mit Akin zusammengearbeitet. Und den Koch spielt Birol Ünel, Akins Star aus "Gegen die Wand". Die Hauptrolle aber spielt Adam Bousdoukos, "meine Muse", wie Akin sagt. Denn der hatte wirklich eine Taverne, das Sotiris in Ottensen, in der Akin und seine Freunde sich regelmäßig trafen. Auch da war das Essen nicht gut. "Aber man wurde satt." Und man hatte Spaß.

Werner Herzog, der Altmeister des Neuen Deutschen Films, ist hier am Lido von Venedig in einer bayerischen Trachtenjacke auf dem roten Teppich erschienen und hatte kundgetan, dass er, egal wo er drehe, in der Antarktis oder im tropischen Regenwald, immer bayerische Filme drehe. Könnte man von Akin behaupten, dass er immer Hamburger Filme dreht? "Natürlich prägt die Stadt, in der man lebt. Ein Kritiker hat mal geschrieben, 'Gegen die Wand' sei wie eine ehrliche Hamburger Kiezkneipe gewesen. Das war vielleicht das größte Kompliment, das man machen konnte."

Nach der "Wand", nach "Auf der anderen Seite" und den vielen Preisen, die er dafür einheimste, hat er lange gezögert, ob eine Komödie danach nicht als zu leicht empfunden werden könnte. Er hat das Projekt deshalb lange ruhen lassen, hat auch erwogen, ob er ihn nur produzieren und ein anderer ihn inszenieren sollte. Aber am Ende hat er sich dem Erwartungsdruck nicht gebeugt. "Ich hatte auch das Gefühl, ich schulde meiner Stadt diesen Film." Und es ist, nach all den schweren Dramen, durchaus auch ein Genuss, mal wieder einen komischen Akin zu sehen. In der Pressekonferenz am Lido wie auch im persönlichen Gespräch danach wird er nicht müde zu betonen, wie wichtig das Lachen im Kino sei. "Lachen ist so verpönt, nicht nur in Deutschland."

Der Film, der am 24. September auch das Hamburger Filmfest eröffnen wird, bevor er am 25. Dezember regulär in die Kinos kommt, war schon für Cannes eingeladen, aber im Mai noch nicht ganz fertiggestellt. Stattdessen ist Fatih Akin jetzt im Wettbewerb von Venedig vertreten, ist er überhaupt das erste Mal auf diesem Festival.

Und da der Film so gut ankam und sich hier auch viele Interessenten aus dem Ausland melden, zeigt sich doch, so Akin, wie richtig die Entscheidung gewesen ist, nicht nach Cannes zu gehen. Jetzt aber muss er sich langsam vorbereiten auf den roten Teppich - er wird dort Sirtaki tanzen. Die Pommes hat er nicht angerührt.