Auf der Bühne stehen Theaterstühle, Papiere fliegen herum und am Regiepult in einer hinteren Reihe sitzt müde der Regisseur. Die Probe ist vorbei. Jene Zeit, in der die Theaterleute professionelle Arbeit, fragile Vertrautheit und echte Gefühle von Zu- und Abneigung schöpferisch zusammenbringen und in Kunst formen müssen.

Hamburg. "Nach der Probe" heißt das Stück nach einem Film von Ingmar Bergman, das Luk Perceval jetzt auf die Bühne des Thalia-Theaters brachte, nachdem es vor einem halben Jahr schon am Schauspiel Hannover herausgekommen war. Es ist Schauspielertheater pur. Anderthalb Stunden, die im realistischen Bühnenambiente (Bühne: Annette Kurz, Kostüme: Ursula Renzenbrink) nur dazu dienen, den Schauspielern dabei zuzuschauen, wie sie ihre Gefühle, Gedanken und Ängste voreinander bloßlegen und verstecken, wie sie einander irritieren und imponieren wollen und wie Leben und Kunst sich für sie vermischen. Es ist gutes altes, selten gewordenes psychologisches Theater, das die Zuschauer mitnimmt, mitten hinein in die Gefühlskonflikte der Bühnenfiguren. Das Publikum im leider nicht ganz ausverkauften Thalia-Theater hat es sichtlich genossen, sich vollkommen auf das Spiel der drei Protagonisten Wolf-Dietrich Sprenger, Nadia Schönfeldt und Oda Thormeyer zu konzentrieren. Am Ende spendete es heftigen Applaus.

Hier wird nichts dekonstruiert, gestrichen oder hinzugefügt, das nicht der inneren Befindlichkeit der Figuren entspricht. Oder wie es Henrik, der Regisseur im Stück, einmal sagt: "Ich bin entschlossen, das Traumspiel so zu inszenieren, wie es da steht. Jedes Wort." Er liegt damit ziemlich genau auf jener Linie, die der Autor Daniel Kehlmann vertritt, indem er fordert, die Regie solle wieder stärker dem Text dienen als ihn zu interpretieren.

Bergman war der Freud unter den Regisseuren. Er hat sich in der Figur des Regisseurs auch selbst dargestellt, als zweifelnden Künstler, einsamen Liebenden, Schmerzensmann. Ihn interessierten religiöse Fragen, Paarkonflikte, die Auseinandersetzungen zwischen Männern und Frauen. Als Zuschauer fühlte man sich bei ihm stets, als würde man einer Psychoanalyse beiwohnen.

Auch die Schauspieler im Thalia zeigten eindringlich die Anstrengungen von Menschen, die sich ständig selbst behaupten müssen: Wolf-Dietrich Sprengers Regisseur Henrik ist ein Künstler in der Alterskrise zwischen Zynismus, jungenhafter Verliebtheit und der Frage, wie Leben und Kunst zusammenkommen können. Oda Thormeyer kann als Ex-Star und Alkoholikerin viel von der Verzweiflung und Zerbrochenheit einer Frau zeigen, die es weder im Leben noch in der Kunst geschafft hat, ihren Weg zu finden und integer zu bleiben. Und Nadia Schönfeldt macht als junge Schauspielerin deutlich, dass ihr Beruf mehr Opfer erfordern wird, als ihr lieb ist, dass der Wille, gut spielen zu wollen, allein nicht ausreicht. Die Zuschauer fühlten sich mitten drin im Theatergeschehen. Und berührt.