Hamburg feierte den NDR-Chefdirigenten - der bedankte sich mit Musik der Extraklasse, mit großartigen Solisten und einem ganz großen Auftritt für Hamburgs musikalischen Nachwuchs.

Hamburg. Einer wie Christoph von Dohnányi ist immer für eine Überraschung gut. Erst recht am Ende seines Geburtstagskonzerts, das am Dienstagabend in der voll besetzten Laeiszhalle natürlich kein anderer dirigierte als der Maestro selbst.

Statt selbst eine Zugabe zu spielen, machten die NDR-Sinfoniker Platz für ein großes und sehr junges Orchester - und Dohnányi kündigte an: "Wenn ich schon uralt bin, möchte ich mit den jungen Leuten aufhören." Sein Zweitorchester an diesem Abend bestand aus Mitgliedern des Mendelssohn-, Albert-Schweitzer- und des Landesjugendorchesters, alle sichtlich berührt von der Ehre, mit Christoph von Dohnányi musizieren zu dürfen.

Die jungen Musikerinnen und Musiker, etliche kaum ein Zehntel von Dohnányis Lebensjahren alt, produzierten unter seiner Leitung eine unerwartet schwungvolle und dabei einfühlsame Klangfülle: Dvoraks Slawischer Tanz Nr. 8 g-Moll kam so feurig daher, dass auch mancher Profi verblüfft hinhörte - eine großartige Idee, Hamburgs musikalische Nachwuchsarbeit in diesem großen Rahmen zu präsentieren. Wer die leuchtenden Augen der jungen Musiker gesehen hat, der spürte: Hier hat ein Großer den Funken weitergegeben.

Genau wie sie ließ sich auch das NDR Sinfonieorchester anstecken von den federnd jungen 80 Jahren ihres Chefdirigenten. Und der zeigte mit ausgewählten Programm-Perlen, was ihm am Herzen liegt, wenn er den Dirigentenstab in die Hand nimmt. Den Anfang machte Ligetis flächig changierendes "Lontano", das ein perfekter Übergang aus der wuselnden Alltagswirklichkeit in aufnahmebereites Lauschen ist und das Wahrnehmen von feinsten Veränderungen im Klangbild erzwingt.

Danach hörte der Jubilar erst einmal selbst zu: Schönbergs Chorstück "Friede auf Erden", dargebracht vom NDR Chor, eine tonal schwelgende und drängende Friedenssehnsucht. Dann Mozarts "Zauberflöte"-Ouvertüre in einem satten, unaufgeregt swingenden Mozartklang. Weiter ging's von Ravel und Richard Strauss über Copland zu Johann Strauß Sohn.

Fans, Freunde, Weggefährten und die umfangreiche Familie, von Bruder Klaus und Schwester Barbara bis zu den Allerjüngsten, saßen im Parkett. Und wohl nie zuvor sang ein Hamburger Konzertpublikum einem Dirigenten auf dem Podium so einmütig und kräftig "Happy Birthday" - angestiftet vom launig kurz laudierenden Alexander Pereira, Opernintendant in Zürich und designierter Intendant der Salzburger Festspiele - der "dem jüngsten, feschesten, frischesten und lustigsten Onkel" gratulierte (auf den er durch das Wortspiel gekommen war, keine Laudatio, sondern nur eine kurze -tio halten zu wollen). Von wo es übers Spanische nur noch ein Gedankensprung zum Onkel war.

Pereira schenkte Dohnányi einen Brief des Komponisten Arnold Schönberg, in dem der sich darüber beklagt, dass die amerikanischen Dirigenten seine Musik links liegen ließen - und stellte fest: "Das kann man Christoph von Dohnányi wirklich nicht vorwerfen!".

Freunde kamen auch zur musikalischen Gratulation der Extraklasse aufs Podium: Frank Peter Zimmermann spielte Ravels "Tzigane" auf seiner Stradivari mit kühler Leidenschaft und so gnadenlos virtuos mit Pizzicati der Griffhand, dass mancher Zuhörer um das Wohl des Instruments zu fürchten begann. Emanuel Ax am Steinway-Flügel inszenierte im Dialog mit den NDR Sinfonikern Richard Strauss' frühe und selten gehörte "Burleske" so lebendig, dass man meinte, den Herren Strauss, Chopin und Grieg beim jugendfrisch-übermütigen Sommerspaziergang zuzuhören. Schließlich sang Weltstar Thomas Hampson sechs von Aaron Coplands "Old American Songs" mit fein anrührender bis urkomischer Gestaltungskraft - eine stimmliche Sensation für sich. Und für die finale "Fledermaus"-Ouvertüre verwandelte sich das NDR-Orchester kurzfristig den Wiener Philharmonikern an - das war allerfeinster Champagner.

Als dann alle walzerselig glaubten, das sei nicht zu toppen, zog der Maestro lächelnd seine Überraschungskarte mit dem Jugendorchester.

Im Brahmsfoyer der Laeiszhalle wurde hinterher noch kurz geredet - NDR-Intendant Lutz Marmor dankte Christoph von Dohnányi und gab gleich noch ein klares Bekenntnis des Senders zu seinen Klangkörpern ab. Dann wurde lang gefeiert.