Das kleine, feine Wagner-Wunder an der Trave geht in die dritte Runde. Nachdem die Lübecker Oper schon eine erste amüsante und hochintelligente “Ring“-Hälfte präsentiert hat, rundete sich dieser erfrischend respektarme Gesamteindruck mit dem “Siegfried“ nun weiter ab.

Lübeck. Nicht einmal die akute Stimmunpässlichkeit von Jürgen Müller, der seinen Part nur noch verkörpern konnte, während der Titel-Tenor von Schlingensiefs Bayreuther "Parsifal", Alfons Eberz, mit zunehmender Eindringlichkeit aus einer Seitenloge gesungen wurde, konnte das Vergnügen massiv schmälern. Die Lübecker Philharmoniker unter GMD Roman Brogli-Sacher waren allerdings so begeistert bei der Sache, dass stellenweise die Lautstärke mit ihnen durchging.

Regisseur Anthony Pilavachi hielt sich erneut an seine schon bewährte Maxime "Lieber Libretto-Details ignorieren als auf eigene Pointen verzichten". Also wurde das Ganze im Altenheim von Dr. Mime (hin und wieder übereifrig: Arnold Bezuyen) angesiedelt, wo Alberich als Veteran im Rollstuhl vor sich hinknattert und Erda (beeindruckend: Ulrike Schneider) erst ihr Hörgerät eingestöpselt bekommt, bevor sie vom Wanderer mit seinem Halstuch endgültig in den Schlaf geschickt wird. Der Drache Fafner ist vergoldet und feist wie Hermes Phettberg, der Waldvogel (niedlich: Andrea Stadel) wird von einer Pin-up-Krankenschwester verkörpert, vom Wanderer dafür bezahlt, dass sie Jung-Siegfried Strategie-Tipps ins Ohr zwitschert. Und auch für Siegfrieds erste Begegnung mit Tante Brünnhilde und damit dem vermeintlich schwachen Geschlecht ("Das ist kein Mann!") hält die Regie einige tiefenpsychologische Deutungen bereit, bis hin zur Wendung, dass der langfristig planende Göttervater hierselbst seinen Speer - und nicht das vom Enkel frisch zusammengelötete Schwert Nothung - zerbricht.

Das alles ist nicht nur kurzweilig gemacht, es wird auch noch erfreulich gut gesungen. Was von Stefan Heidemann, dem bisherigen Wotan, als Wanderer an Präsenz und Wucht geboten wird, lohnt jeden Weg nach Lübeck. Antonio Yang gelang ein tolles "Ring"-Comeback als Alberich, Rebecca Teem als Brünnhilde. Beifallsstürme, was sonst.

Mitte Oktober legt die Hamburger Oper mit ihrem "Siegfried" nach. Man weiß noch nicht, wie das wird. Aber es bleibt spannend, jetzt erst recht.

Weitere Termine : 20.9., 3./25.10., 15.11., 6./26.12. Weitere Informationen im Internet unter www.theaterluebeck.de .