Zeichnungen wie von Zille, Bilder wie von Delaunay - eine Ausstellung zeigt unerwartete Facetten des großen Expressionisten.

Stade. Nur wenige Künstler werden so gnadenlos vermarktet wie der Expressionist August Macke (1887-1914), dessen Spätwerk diverse Verlage Jahr für Jahr auf zahllosen Kalendern, Postern und Kunstpostkarten unters Volk bringen. Dass der Mitbegründer der Künstlervereinigung "Blauer Reiter" dennoch für eine Überraschung gut ist, beweist das kleine, aber feine Kunsthaus in Stade mit einer bemerkenswerten Ausstellung. "August Macke ganz privat" heißt die Schau, die einerseits sehr persönliche Einblicke in das private Lebensumfeld des Malers gibt, zum anderen aber auch seine künstlerische Entwicklung mit einer Fülle von kaum bekannten und teilweise sogar noch nie gezeigten Werken anschaulich macht.

Dass ausgerechnet Stade zu einer so wichtigen Ausstellung kommt, hat mit einem glücklichen Zufall zu tun: 2006, bei der Vernissage einer Ausstellung mit Werken von Daniel Richter und Jonathan Meese, lernte Andreas Schäfer, der in der Hansestadt für Bildung und Kultur zuständig ist, einen Sammler kennen, der eher beiläufig erwähnte, dass er mit einer Enkelin von August Macke verheiratet ist. Als Schäfer dann erfuhr, dass Mackes Nachfahren noch zahlreiche Werke im Familienbesitz haben, kam ihm die Idee zu einer Ausstellung. Man nahm Kontakt zu der in Köln ansässigen Macke-Expertin Ina Ewers-Schultz auf, sichtete die Bestände und entwickelte gemeinsam die Idee zu einer Ausstellung, die die unbekannten Seiten eines nur scheinbar allzu bekannten Malers aufzeigt.

Ausstellungskuratorin Ewers-Schultz spricht von einer "Reise durch August Mackes Leben". Dem entspricht die streng chronologische Gliederung. Erstaunlich ist die enorme Entwicklung, die Macke in der nur etwa zehn Jahre währenden Schaffenszeit bis zu seinem frühen Tod als Soldat im Ersten Weltkrieg durchlaufen hat. Die Schule hat er ebenso abgebrochen wie die Ausbildung an der Düsseldorfer Kunstakademie. Zu konventionell, zu weit entfernt vom wirklichen Leben fand der Maler, der nun ganz auf sich gestellt nach neuen Ausdrucksformen suchte.

Die fand er in der Beschäftigung mit dem Kunstgewerbe, er entwarf Möbel und Vasen, aber auch abstrakte Muster für Stickereien und Porzellangeschirr, zeichnete humoristische Straßenszenen, die an Heinrich Zille erinnern, und experimentierte im Stil von Robert Delaunay mit Farbe und Form. Prägend wurde der Besuch einer großen Ausstellung über islamische Kunst ebenso wie die Beschäftigung mit dem Rokoko, der letzten Stilepoche, die dem Gesamtkunstwerk verpflichtet war.

Genau das hat Macke immer angestrebt, seine Bilder waren auf den Raum bezogen; bei denen, die jetzt in Stade zu sehen sind, war das der familiäre Raum: Immer wieder hat er seine Frau Elisabeth gezeichnet und gemalt, ebenso die Kinder. Mackes populäre Gemälde sind in der Ausstellung nicht zu sehen, sie befinden sich im Besitz großer Museen.

Die 140 Gemälde, Zeichnungen, Grafiken, Plastiken und Fotografien, die die Familie zur Verfügung gestellt hat, dokumentieren den Weg, den Macke bis zu seinem so beliebten Spätwerk zurückgelegt hat. "Vor allem die Zeichnungen zeigen ganz unmittelbar seine experimentelle Suche nach Formen und der Wirkung der Farben auf", meint Schulze-Ewers.

Dass sich Macke leichter rezipieren lässt als seine "Blauer Reiter"-Kollegen Kandinsky und Franz Marc, liegt nicht zuletzt an seinem künstlerischen Anspruch. "Ihm ging es nie um Theorien oder Symbolik, er wollte vielmehr die Schönheit der Dinge und das Rhythmische der Natur aufs Bild bringen", meint Ewers-Schultz.

Kunsthaus Stade, Wasser West 7, 6.9.-20.12., Di-Fr 10-17, Sa, So 10-18 Uhr