Reichen-Getto, Rentner-Dubai, Würfelhusten oder Tetris-Knast wird sie genannt; über die HafenCity zu lästern ist unterhaltsam und bietet griffigere Polemik als zuzugeben, dass sie gefällt.

Sie gefällt mir. Ja, ich sehe die Maladitäten des Quartiers: Keine Radwege, Bäumchen wie vergessene Spazierstöcke, unfreiwilliger Exhibitionismus bis zur fünften Etage, kein Sparmarkt weit und breit, keine optische Anbindung an die fulminante Gotik der Speicherstadt, und manch architektonisch wertvoller Pömpel ist auch ein bisschen peinlich.

Aber noch mehr als seine Schwächen spüre ich die Magie dieses wachsenden Ortes. Er zieht. Er machte mich verliebt während einer dieser überwältigend blauen Stunden, wenn sich Wasser und Himmel annähern, die violetten Wimpernkränze der zu Bett gesunkenen Sonne sich in den Fenstern spiegeln und es ganz ruhig geworden ist in dem Quartier. Brückenspinnen huschen. Kräne wie Bleistiftschraffuren. Die Restaurants warme Inseln, Düfte, Gläserklirren, Frauenlachen, verwehte Tangomusik. Tanzende Lichter auf den Wellen. Ich ging über die Brücken und Terrassen, an den Kais auf und ab, einsam, eine sinnliche Einsamkeit. Blieb auf den Brücken stehen, lauschte. Wasser, wie es kommt und geht, der Soundtrack der Ewigkeit. Ich spürte nichts von der Feindseligkeit, die dem wachsenden Kind HafenCity nachgesagt wird. Nur seinen Sog. Es war eine träumerische, warme Melancholie, eine von der Sorte, wie bestimmte Charaktere sie mögen, die auch die Melancholie des Meeres schätzen, das Fernweh und das Heimweh, den Aufbruch und das Bleiben.

Wie jede verliebte und dem Glück misstrauisch zugewandte Frau machte ich drei Tageslichttests; die HafenCity bestand. Trotz und wegen der Touristen, trotz und wegen der Bauerei, trotz und wegen der sich suchenden und findenden Harmonie von Stahl, Stein, Leben und Wasser. Was die Magie ausmacht? Sie kommt mit den Menschen, die das Wasser und die blaue Stunde lieben, gleich welcher monetären oder sonstigen "Klasse" sie angehören. Sie kommt mit jenen, die bleiben, und mit denen, die diesen Ort nur besuchen. Es ist bereits ein Quartier der Begegnung; ob mit oder ohne Elbjazzpicknick, Off-Kunstfestivals oder Queens und Kings; die Menschen verleihen ihm Seele, und das kränkt Kritiker womöglich am meisten.

Kunst in Containern: "subvision. kunst. festival. off" bis 6.9., So/Do 14.00-22.00, Fr/Sa 14.00-24.00, Strandkai (MetroBus 6), Marco-Polo-Terrassen, Eintritt frei; www.subvision-hamburg.com

Nina George schreibt jede Woche in LIVE und liebt Hamburg.