96 Leihgaben aus dem Whitney Museum of American Art in New York zeigen anschaulich, wie sich die Moderne in den USA im 20. Jahrhundert entwickelte.

Hamburg. Alles wirkt vertraut, und doch ist der Betrachter sofort irritiert. Die Frau, die im Eingang eines kargen Hauses wartet, scheint für einen Ausflug in die Stadt gekleidet zu sein, doch die Kornfelder im Hintergrund eröffnen nur die Aussicht auf eine trostlos monotone Weite.

Auf einem anderen Bild ist ein Laden zu sehen: Die Uhr im Schaufenster zeigt 7, die Auslage erklärt nicht, was verkauft wird, und direkt hinter dem kleinstädtischen Geschäft droht ein Waldrand. Intimität verspricht dagegen auf den ersten Blick die Rückenansicht einer Frau, in deren Zimmer wir schauen. Wir glauben viel zu sehen, erkennen aber nichts richtig, denn die Nähende ist abgewandt, alle Gegenstände im Zimmer sind angeschnitten, sodass jede Individualität fehlt.

Es ist ein besonderer Zauber, der von Edward Hoppers rätselhaften Bildern ausgeht und sie deshalb so einprägsam macht. Der Regisseur Wim Wenders schrieb dazu: "Seine Bilder könnten alle aus einem großen Film über Amerika stammen, ein jedes der Beginn eines neuen Kapitels." Sie sind sozusagen angefangene Geschichten, die den Betrachter weiterbeschäftigen, sie zu Bildern unseres kollektiven Gedächtnisses machen. Und fast schon klischeehaft unsere Idee von den USA und der amerikanischen Kunst widerspiegeln.

Vor diesem Hintergrund ist dem Bucerius-Kunst-Forum mit seiner aktuellen Ausstellung "Modern Life. Edward Hopper und seine Zeit" (9.5. bis 30.8.) ein echter Coup gelungen. Denn die 96 Leihgaben aus dem Whitney Museum of American Art in New York wurden von Barbara Haskell und Ortrud Westheider so komponiert, dass sie in verschiedener Hinsicht aufschlussreich sind: Die Ausstellung zeigt zum einen, wie vielfältig die amerikanische Moderne tatsächlich war und dass Hopper mitnichten der Einzelgänger oder Monolith der US-Kunst gewesen ist, als der er heute erscheinen mag, sondern dass er ein Mann unter Einfluss war.

Besondere Pointe dieser Einbettung in einen künstlerischen Kontext ist aber, dass Hopper am Ende dennoch als derjenige dasteht, der herausragt, weil in seinem Werk zur Synthese gekommen ist, was in seiner Generation angelegt war. Insofern ist diese Schau krönender Abschluss der Ausstellungstrilogie zu 150 Jahren amerikanischer Kunst, die das Bucerius-Kunst-Forum 2007 begonnen hat.

Acht Gemälde Hoppers stehen buchstäblich im Zentrum der Ausstellung: Nicht die "Nighthawks", sein bekanntestes Bild, aber Ikonen der US-Kunst wie die beschriebenen Gemälde "South Carolina Morning" (1955), "Seven A. M." (1948) und "New York Interior" (um 1921), dazu u. a. der "Railroad Sunset" (1929) und das "Self-Portrait" (1925-1930), in dem der Maler sich mit Hut im Apartment als Mann im Aufbruch präsentiert. Das zentrale Hopper-Kabinett eröffnet vier Übergänge zu den Nebenräumen der amerikanischen Malerei, was Einflüsse und Beziehungen rasch augenfällig macht.

Es waren zwei Strömungen künstlerischer Selbstfindung, aus denen eine originär amerikanische Moderne entstehen sollte. Einerseits diejenigen, die abseits der Akademien im urbanen Leben, aber auch im Regionalismus, inklusive sozialer Fragen, spezifische Motive suchten. Ein anderer Weg war es, Einflüsse des europäischen Aufbruchs mit seinen radikalen Brechungen und Abstraktionen in ein amerikanisches Thema zu verwandeln. Dabei sind einige Entdeckungen zu machen: Man Rays kubistische "Five Figures" (1914) etwa, Georgia O'Keeffes Abstraktionen natürlicher Strukturen, Thomas Hart Bentons anekdotische "Poker Night" (1948), die Industrie-Idealisierung "River Rouge Plant" (1932) von Charles Sheeler. Es gibt in dieser Ausstellung viele Crossovers zwischen Realismus und Abstraktion, sagt Kuratorin Barbara Heskell. "Die perfekte Synthese aber lieferte Hopper." Der schrieb: "Die amerikanische Natur ist in einem Maler - er muss nicht danach streben. Wer einfach sich selbst treu bleibt, offenbart seine Herkunft, seine heimische Kultur und all ihre Wesenszüge."

Modern Life. Edward Hopper und seine Zeit, 9.5.-30.8., tgl. 11-19 Uhr, Do bis 21 Uhr; Eintritt 8/erm. 5 Euro, unter 18 Jahren frei; Katalog 24,80 Euro; www.buceriuskunstforum.de