Wir machen hier großes Kino, sagt der Regisseur. Deshalb hat man Otto Kullberg für die Hauptrolle verpflichtet, eine Art deutscher Mastroianni mit einem Schuss Harald Juhnke, der das (weibliche) Publikum seit 30 Jahren ins Kino lockt - und sei es mit Milchwerbespots.

Hamburg. Otto ist immer für einen dollen Einfall zu haben, haut Sprüche raus, bei denen andere rot würden, und sorgt dafür, dass es nie langweilig wird am Set. Ein Mittelpunktmensch. Einziges Problem: In seine Thermoskanne füllt er statt Kaffee Hochprozentiges, was immer öfter zu Totalausfällen vor der Kamera führt.

Diese Szene wie die ganze Handlung von Andreas Dresens Tragikomödie "Whisky und Wodka" geht auf eine wahre Geschichte von 1957 zurück, als Kurt Maetzig "Schlösser und Katen" drehte. Sein Hauptdarsteller Raimund Schelcher war Alkoholiker und galt als "Produktionsrisiko". Um ihm Druck zu machen, besetzten die Produzenten seine Rolle parallel mit einem zweiten Schauspieler und ließen alle Einstellungen doppelt drehen. Sicher ist sicher. Und Konkurrenzkampf garantiert.

Ist es Branchenblindheit, Selbstüberschätzung oder bloß Zufall, dass mit "Whisky und Wodka" nach Pedro Almodóvars "Zerrissene Umarmung" schon der zweite Film in diesem Sommer ins Kino kommt, der das Filmemachen thematisiert? Und damit Gefahr läuft, sich selbstreferentiell im Kreis zu drehen und jeden Zuschauer zum Gähnen zu bringen, der von Berufs wegen mit Film nichts am Hut hat.

Nicht so bei Dresen, der nach "Sommer vorm Balkon" zum zweiten Mal ein Drehbuch von Wolfgang Kohlhaase verfilmt hat. Vordergründig handelt "Whisky und Wodka" natürlich vom Filmemachen am Rande des Wahnsinns. In Wahrheit aber ist dem Duo Dresen/Kohlhaase eine feinsinnige Reflexion über das Älterwerden gelungen, über Einsamkeit, Selbstbetrug und das Gefühl, austauschbar zu sein.

"Das würde ich dir übel nehmen, wenn du das Leben mit dem Film verwechselst", sagt Bettina (Corinna Harfouch), Schauspielerin und Ex-Geliebte, in einer Szene zu Otto (Henry Hübchen). Aber genau das hat Otto sein Leben lang getan. Dreharbeiten ersetzen ihm den Alltag, der Wohnwagen das Zuhause, die Kollegen die Familie. Dresen führt vor, wie während wochenlanger Dreharbeiten auf Rügen die hermetische Filmwelt das "richtige" Leben ersetzt. Und wie umgekehrt das Leben dem Film in die Quere kommt. Da schleichen sich Drehbuchsätze in die Realität, Liebschaften werden, wenn die letzte Klappe gefallen ist, fortgesetzt. Dass Kino zur Gefühlsbildung beiträgt, gilt eben nicht nur für Zuschauer.

In Dresens Werken, man denke an "Halbe Treppe" und "Die Polizistin", geht es grundsätzlich wenig glamourös zu. Es wimmelt nur so vor absurden Produzentenwünschen ("Den Winter müsst ihr halt weglassen"), desillusionierenden Argumenten ("Ist aber billiger") und quälenden Psychospielchen. Um zu erkennen, dass hier hohe Kunst entsteht, braucht es viel Fantasie. In diesem Punkt, der Entlarvung des Kinos als Illusionsapparat, erinnert "Whisky und Wodka" an François Truffauts "Die amerikanische Nacht", Robert Altmans "The Player" und Fellinis "Achteinhalb", die großen Film-im-Film-Produktionen. Kein Glamour weit und breit, und die einzige Party, der wir beiwohnen, ist ein Zwei-Mann-Besäufnis in einer schäbigen Kneipe, an dessen Ende die totale Selbstentblößung steht. Filmemachen, zeigt uns Dresen, ist ein täglicher Kampf ums Überleben, der mit den Hochglanzbildern, die wir kennen, in etwa so viel zu tun hat wie Currywurst mit Haute Cuisine.

"Whisky und Wodka" steckt voll komischer, mitunter fast klamottiger Szenen, die von wehmütigen Momenten durchbrochen werden, allen voran der Tod von Ottos Vater. Die mit Swing-Nummern unterlegten Teamszenen, in denen ein 20er-Jahre-Kostümfilm entsteht, wechselt Dresen mit ruhigen, intimen Szenen. Die vielleicht schönste: Otto sitzt im Hubschrauber und beginnt zu rezitieren, Rilkes Herbstgedicht: "Herr, es ist Zeit." Und: "Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben." Dann verstummt er. Die Gedichtzeilen belegen, was er schmerzlich ahnt: Die beste Zeit des Lebens ist längst vorbei.

Der Film startet morgen in den Kinos