Ein Bild von einem Kellner, der Franz. Tüchtig, manierlich, die Identität zurückgewichen hinter “Sehr wohl“ und “Subito“. Die Gäste lieben ihn. Wenn die wüssten.

Es gibt Gäste, über die lacht Franz, andere hasst er; zeigen wird er es nie; er kennt Seltsamkeiten wie sonst nur Erbrechtsanwälte.

Franz sieht wachsam zur Tür; es kommen oft welche, die es vorziehen, mit Anrede begrüßt zu werden; werter Doktor Patati, liebe Frau Patata. Es ehrt sie wie ein Lob ihres Vorgesetzten, sie wissen dann, dass sie jemand sind. Franz grüßt auch die, die grußlos ins Lokal marschieren; sie werden sich dennoch ignoriert fühlen, wenn sie zwei Minuten auf die Karte warten, und ihre Bestellung aufgeben, ohne Franz je anzusehen. Diese Gutsherrenart kennt er, die meisten wollen wie Könige behandelt werden, aber wenige benehmen sich königlich und verwechseln "Dienstleistung" mit einseitigem Wohlverhalten. Wer diesen Irrtum nicht ertragen kann, sollte sich keine Schürze umbinden. Sagt Franz. Er kann.

Franz setzt sich niemals hin. Erstens, weil ihm sonst die Füße wehtun. Zweitens, weil er die Anhänglichen, die Einsamen, die Allergiker, die Kenner, die Unentschlossenen, die Kinder, die Vergesslichen, die Flirterinnen und die Eiligen betreuen muss. Die Anhänglichen haben Angst, dass er an andere Tische geht, und verwickeln ihn in komplizierte Bestellvorgänge. ("Erst mal ein Bier. Oder willst du Sekt? Was haben Sie denn da? Oder Wein?"). Die Einsamen kommen, damit er ihnen zuhört, und sind enttäuscht, dass Franz arbeiten muss; genau wie die Flirterinnen, die sich Pinot um Grigio vertraulicher gebärden. Die Eiligen delegieren ihr Zeitlimit an ihn, soll er zusehen, wie ihre drei Gänge in 20 Minuten erledigt sind. Die Allergiker wollen Pasta ohne Ei, die Kenner über die Prise Kumin im Gruß aus der Küche fachsimpeln, die Unentschlossenen verlangen nach Empfehlung und nehmen doch Cesar Salat, die Vergesslichen beharren, Schnitzel gewollt zu haben, wenn ihre Goldbrasse kommt; die Kinder, deren Eltern es als Franz' Aufgabe sehen, ihre Bagage davon abzuhalten, durchs Lokal zu rasen, strecken ihm die Zunge raus.

Franz sagt, wenn es aber einen Gast pro Abend gibt, der ihn anlächelt, als sei der Kellner wirklich ein Mensch, dann weiß er wieder, warum er seinen Beruf liebt.

"Das siebte Werk" - historischer Bestatterkrimi . Lesung mit Maiken Nielsen, Fr 28.8., 19.30, Speicherstadtmuseum, St.-Annenufer 2 (U Meßberg), 9,50/7,50, T. 32 11 91; www.speicherstadtmuseum.de

Nina George schreibt jede Woche in LIVE und liebt Hamburg.