Sie begannen als Shootingstars des Postpunk-Stils. Jetzt klingt die Band um den Briten Alex Turner erdenschwer, dunkler und grundsätzlicher.

Hamburg. Die Haare des Alex Turner sind länger geworden, sie liegen jetzt fast auf seinen Schultern. Er sieht aus wie ein 70er-Jahre-Artrocker, dabei ist er immer noch der 23-jährige Frontmann der englischen Popband Arctic Monkeys. Die wurde vor knapp vier Jahren als Phänomen wahrgenommen, weil sie sich im Internet eine so große Fan-Gemeinde erspielte, dass ihr danach aus dem Stand Nr.-1-Singles und ein preisgekröntes Album gelangen.

Die Arctic Monkeys wurden mit ihrem unbehauenen Indierock zur angesagtesten Band Englands und kommerziell beinah unglaublich erfolgreich: "Whatever People Say I Am, That's What I'm Not" ist das am schnellsten verkaufte Album in der Geschichte Großbritanniens, 400 000 Einheiten gingen in einer Woche weg. Die vier Musiker waren blutjung damals, Teenager und musikalisch erstaunlich frühreif.

Das gilt besonders für den Songschreiber Turner, der zwei Alben später als der Beste seiner Generation gilt. Es ist beinahe rührend zu sehen, wie dieser junge Mann erwachsen wird. Gerade noch beobachtete man staunend, wie der ungestüme, rotzige, rumpelnde Postpunk-Entwurf der Band aus Sheffield auf dem zweiten Album "My Favourite Nightmare" zum immer noch verspielten, aber auf epischeren Songstrukturen bauenden und etwas glatter produzierten Rock wurde. Im vergangenen Jahr startete das Wunderkind mit seinem Spezi Miles Kane (The Rascals) sein neues Projekt "The Last Shadow Puppets". Der geschliffen textende, der Wirklichkeit ihre ironischen Volten und zwischenmenschliche Zumutungen abschauende, dezent melancholische Texter Turner, der in diesem Hinblick an Morrissey und Jarvis Cocker erinnert, entpuppte sich plötzlich auch noch als hoffnungsloser Romantiker. Die Zeit zum nächsten Album seiner Hauptband überbrückte Turner mit Sixties-beseeltem Breitwand-Pop, der schwer nach Scott Walker klang und von den Kritikern hymnisch gelobt wurde.

Turner ist ein Alleskönner. Der lässig hingeworfene Walker-Pastiche war ein Ausflug ins melodische Gefilde der Beatles-Harmonien. Während die Streicher schmerzlich schön tönten, trug Turner seine Pilzfrisur und wirkte wie ein reputierlicher Schwiegersohn. Jetzt erscheint das neue Arctic-Monkeys-Album "Humbug", Turners Frisur ist eine andere. Sie ist verwegener, und das gilt auch für die neuen Songs der Arctic Monkeys. "Humbug" wurde im kalifornischen Nationalpark Joshua Tree aufgenommen. Im Wüstenstudio.

Josh Homme, der mit seiner Band Queens Of The Stone Age den kernigen Desert-Rock erfand, produzierte die Hälfte der neuen Songs. Neu erfunden haben die Engländer sich nicht, aber nach dem Gesetz der turnerschen Serie wieder andere Akzente gesetzt. Der dynamische Shuffle von früher ist nun fast ganz weg, dafür klingen die Songs erdenschwerer und mitunter dunkel. Das euphorische Spektakel der frühen Jahre ist erst mal perdu, die Platte trotzdem und auf andere Weise gelungen. Und Turner setzt auch das Komplizierte spielerisch leicht ins Werk: Seine Texte handeln nun von grundsätzlicheren Dingen als dem Ausgehen oder dem Morgens-verkatert-Aufwachen, die nie genau benannt werden können. Die Arctic Monkeys lassen den süßen Vogel Jugend fliegen, sie selbst bleiben auf dem Boden.

Arctic Monkeys: Humbug (Domino)