Insgesamt 2,65 Millionen Euro wird Hamburg in diesem und im nächsten Jahr für die Entsäuerung von Schriftgut in den Bibliotheken und im Staatsarchiv zur Verfügung stellen. Das geht aus einem Bericht hervor, den der Senat gestern vorlegte.

Hamburg. Damit reagiert Hamburgs Stadtregierung auf die allerdings schon seit Jahren bekannte Tatsache, dass ein großer und wichtiger Teil des Schriftgutes in den Bibliotheken und Archiven akut von der Zerstörung bedroht ist.

Schon 2006 hatte Gabriele Beger, die Direktorin der Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek, im Abendblatt erklärt: "Wenn wir nicht sehr bald etwas unternehmen können, werden große Teile unseres Schriftguts für immer verloren sein."

Grund dafür ist der Säurefraß, der deutschlandweit viele Millionen Bände bedroht.

Das Problem resultiert aus einer technischen Neuerung des 19. Jahrhundert, der industriellen Herstellung von Papier, die etwa 1850 begann. Das Papier wurde dadurch zwar deutlich billiger, hatte aber eine viel kürzere Lebenserwartung als das manuell hergestellte Material. Ursache ist der bei der maschinellen Produktion verwendete Holzschliff, der die Bildung von Säure bewirkt, was zur allmählichen Zerstörung des Materials führt. Das kann man beim Durchblättern eines älteren Buchs selbst feststellen: Schon nach 20 Jahren beginnt es zu vergilben und wird nach und nach so spröde, dass die Seiten brechen, zerbröseln und schließlich zu Staub zerfallen. Durchschnittlich 50 bis 80 und nur unter optimalen Lagerbedingungen bis zu 200 Jahre hält säurehaltiges Papier - eine fatale Situation angesichts der Tatsache, dass 70 bis 90 Prozent der wissenschaftlichen Bibliotheksbestände davon betroffen sind.

Allerdings gibt es Möglichkeiten, den Verfall von Büchern und Handschriften wirksam aufzuhalten. Die wichtigste "Lebensverlängerungsmethode" ist die Entsäuerung, bei der die zerstörerischen Säurebestandteile aus dem Papier herausgelöst werden. Das Verfahren ist schon lange bekannt und gebräuchlich, wurde aber bis vor einigen Jahren noch überwiegend manuell praktiziert. Inzwischen gibt es maschinelle Verfahren, die ohne FCKW auskommen und die Bücher schonend behandeln.

Mit dieser Methode sollen die Hamburger Bestände gerettet werden. Einiges ist hier schon geschehen: Bereits 2006 hatte die Bürgerschaft die Staatsbibliothek beauftragt, die Schäden am Schriftgut in Hamburgs Bibliotheken zu ermitteln. Die Stabi und Staatsarchiv erhielten damals erstmalig 250 000 Euro zur Rettung des Schriftgutes. Außerdem initiierte die Stabi damals die Aktion "Hamburg ohne Worte", mit der für Spenden zur Rettung der Hamburgensien-Sammlung geworben wurde.

2007 legte die Stabi dann einen Schadensbericht vor, aus dem hervorgeht, dass 3,84 Millionen Bände säuregeschädigt sind. Das entspricht 82,5 Prozent aller zwischen 1840 und 1990 erschienenen Bände. Außerdem klassifizierten die Bibliothekare die gefährdeten Bücher nach ihrer Bedeutung, sodass eine Prioritätenliste entstand. Die Staats- und Universitätsbibliothek hat die Kapazität, 30 000 Bände pro Jahr selbst zu entsäuern und die die Entsäuerung weiterer 35 000 Bände zu koordinieren. In der Senatsdrucksache heißt es dazu: "Die nach fachlichen Gesichtspunkten unbedingt notwendige Entsäuerung der ca. 1,36 Millionen Bände wird sich über einen Zeitraum von ca. 20 Jahren erstrecken." Im Staatsarchiv geht es um ähnlich lange Zeiträume: Die dort notwendigen Arbeiten werden vermutlich elf Jahre beanspruchen. Das Geld, das die Stadt jetzt zur Verfügung stellt, reicht dafür selbstverständlich nicht aus, bietet aber die Chance, die Rettungsaktion jetzt im großen Maßstab zu beginnen.