Der Grunge gilt eigentlich als mausetot. Nicht erst seit dem Ende der maßgeblichen Vertreter Nirvana, dämmerte die letzte wirkliche Rockneuschöpfung in Agonie, ihre letzten Vertreter verloren sich in Langeweile.

Hamburg -. Auch Alice In Chains hatte man spätestens seit dem Herointod von Sänger Layne Staley 2002 abgeschrieben.

Umso vitaler steht sie derzeit wieder auf. Beim ausverkauften Gig im Grünspan jubeln alte und neue Fans der Band aus Seattle zu. Die besinnt sich weiterhin auf ihre Stärken. Der felsartige Schlagzeugturm dominiert die Bühne. Drummer Sean Kinney, Gitarrist Jerry Cantrell und Bassist Mike Inez sorgen für den so kunstvoll zerquälten, dunklen Gitarrensound. Die schon fast vergessenen Wahrhaftigkeitsgesten, da sind sie wieder.

Der größte Gewinn allerdings ist Sänger William DuVall. Schon optisch ist DuVall mit seiner grazilen Seventies-Silhouette, die von weitem an Lenny Kravitz erinnert, ein Gegenprogramm zum zornigen, blassen Staley. Singen kann er mindestens genauso zornig. Nur dass sich Kunst und Leben hier nicht so verhängnisvoll vermischen. Der Neue räkelt sich vielmehr diesseitsfreudig hinterm Mikrofon.

DuVall imitiert seinen Vorgänger nicht, er findet seinen eigenen Weg zum Publikum. Der führt natürlich über die Klassiker wie "Would?" und endet doch folgerichtig bei "A Looking In View" aus dem Ende September erscheinenden neuen Alice-In-Chains-Album "Black Gives Way To Blue", dem ersten seit 14 Jahren Schweigen. Wie sein verstorbener Vorgänger hat sich auch DuVall angewöhnt, ganze Passagen beschwörend mit Gitarrist Cantrell zweistimmig zu singen. Nein, Grunge ist keineswegs tot. Er hat sich nur eine Pause gegönnt.