Ein Kinofilm erzählt den Aufstieg der wohl bekanntesten Designerin. Immer mehr Filme beschäftigen sich mit dem Thema Mode.

Hamburg. Spätestens seit sich Audrey Hepburn als Holly Golightly 1961 im kleinen Schwarzen die Nase an der "Tiffany's"-Fensterscheibe plattdrückte, galt sie als stilbildend - für mehr als eine Generation: Der "Audrey-Look" (übergroße Sonnenbrille, Ballerinas, schlichte Eleganz) hat sich bis heute gehalten. Und als Jean Seberg in "Außer Atem" die Champs Elysées entlang spazierte, trug frau in den 60er-Jahren Kurzhaarschnitt. Diesen Einfluss hat die Filmwelt verloren. Was heute auf Leinwand und Bildschirm getragen wird, interessiert die Modewelt herzlich wenig. Und so wird "Coco Chanel", der am Donnerstag im Kino startet, wohl auch keinen neuen Run auf Chanel-Kostüme und -flakons auslösen. Was die Marke zum einen nicht nötig hat: Der "Mythos Chanel" ist, Karl Lagerfeld sei dank, ungebrochen; es gibt kaum ein anderes Modelabel mit so hohem Wiedererkennungswert. Andererseits will der Film von Anne Fontaine auch genau das nicht: einen Mythos beschwören. "Coco Chanel" verweigert sich der Mode gewissermaßen.

Lange vor Kinostart hatte Hauptdarstellerin Audrey Tautou verlauten lassen, sie fände Mode "todlangweilig". Die Regisseurin wiederum hat all das aus dem Film verbannt, was unter dem leisesten Glamour-Verdacht steht: Keine Modenschauen in Paris/New York/Mailand, keine Supermodels; die Chanel-Anhängerinnen Jeanne Moreau und Catherine Deneuve kommen ebenso wenig vor wie Lagerfeld himself. Das viel zitierte kleine Schwarze taucht in einer kurzen Sequenz auf, lange bevor es zum Klassiker wurde.

Die demonstrative Gleichgültigkeit, die der Film der Mode entgegenbringt, entspricht Coco Chanels eigener Haltung, derzufolge Kleidung vor allem ein Ausdruck von Selbstbestimmung war. Genauso wichtig wie das, was sie trug, war, wie sie es trug: ohne großen Aufhebens. Die Regisseurin interessiert die Frau hinter der Marke - ihre Herkunft, ihr Aufstieg, ihr Kampf gegen Konventionen. Sie zeigt Coco Chanel als Heldin der Frauenbewegung, die sich durch geschicktes Networking eine glänzende Karriere aufbaute. Eine Entscheidung, die den Film letztlich glaubwürdig macht. Eben weil Fontaine nicht zitiert und beschwört, sondern nüchtern und in klaren Tönen erzählt.

Die Modewelt real abzubilden, vermag indes kaum ein Film. Robert Altmann hat es in seiner Mode-Satire "Pret-à-Porter" versucht, David Frankel zuletzt mit "Der Teufel trägt Prada". Patin für seine "Aschenputtel im Haifischbecken"-Geschichte stand (unfreiwillig) die mächtige Chefin der New Yorker "Vogue", Anna Wintour. Deren überlieferte Reaktion nach der Filmpremiere: ein milde-mitleidiges Lächeln. Produktionen wie der Tussifilm "Clueless" mit Alicia Silverstone und in diesem Jahr die Komödie "Shopaholic - Die Schnäppchenjägerin" sind von vornherein als Karikatur modeverrückter Frauen angelegt, als grotesker Kleiderzirkus. Sacha Baron Cohen ließ es sich nicht nehmen, als schwuler österreichischer Modejournalist Brüno die Laufstegmodels der Mailänder Modewoche in ihrer ganzen vermeintlichen Beschränktheit vorzuführen. Vorurteil bestätigt, beziehungsweise übertroffen.

"Sex and the city", immerhin die Fernsehserie, die als stilprägend für unsere Zeit gilt, mag vielleicht dem spanischen Schuhdesigner Manolo Blahnik zu Ruhm verholfen haben - die Mode verändert hat sie nicht. Dafür waren die Kleider, die die vier Großstadt-Girls trugen, immer eine Spur zu extravagant, zu ironisch angelegt: Pailettenkleidchen bei Schneesturm, bauschige Tütüs und Hüte mit überdimensionalen applizierten Blüten und Früchten. Den Serienlook schuf (wie auch für "Der Teufel trägt Prada") die US-amerikanische Stylistin und Modedesignerin Patricia Field.

Was zeigt: Fernsehen und Kino schielen auf die Modewelt, nicht umgekehrt. Denn so oberflächlich Mode auch erscheinen mag, so komplex und mächtig ist das System dahinter - eine Parallelwelt, ein eigener Planet.

Dem Film bleibt nur die Möglichkeit, den schönen Schein der Oberfläche zu zelebrieren und Klischees zu reproduzieren. Oder er wählt den Weg, für den sich Fontaine bei "Coco Chanel" entschieden hat: Sie thematisiert vordergründig die Mode, erzählt in Wahrheit aber eine Emanzipationsgeschichte. Nicht von ungefähr heißt der Film im Original auch "Coco avant Chanel".

Nur in der letzten Szene sieht der Zuschauer Bilder, die er zu kennen meint: die in ein schwarz-weißes Kostüm gehüllte Audrey Tautou lehnt, lässig rauchend, vor einer dreigeteilten Spiegeltreppe und beobachtet ihr erstes großes Mode-Défilee. Eine Szene mitten aus dem Chanel-Kosmos - so elegant und geheimnisvoll, wie man Holly Golightly und ihr "Frühstück bei Tiffany's" erinnert. Ein flüchtiger Zauber, der sich so schwer auf die Leinwand bannen lässt.