Ein international gefragter Star-Harfenist gastiert als Artist in residence sechsmal in Hamburg.

Hamburg. Xavier de Maistre mag Flugzeuge. Das ist ein Glück, denn er bringt einen beachtlichen Teil seines Lebens in ihnen zu. Je gefragter ein Musiker ist, desto aberwitziger spreizen sich seine Reiserouten. De Maistre kommt gerade aus Osaka von einer dreiwöchigen Japantournee. In Frankfurt hat er eine Stunde Zeit, seine Harfe hat er gleich nach Wien durchgecheckt.

Wie ein Sportler tritt er aus dem Gate, sehnig, in Jeans und Sweatshirt. Ein wenig blasser als auf den CD-Covers sieht er nach dem Flug schon aus, aber seine braunen Augen funkeln. Im Gespräch gibt er jeden Ball sofort zurück, in fließendem Deutsch. Nur einige charmante Satzdreher verraten den Franzosen.

"Im Flugzeug ist meine einzige Zeit ohne Telefon und E-Mail. Da kann ich in Ruhe lesen und nachdenken", sagt er. Xavier de Maistre hat eine für sein Instrument beispiellose Karriere gemacht: Mit 25 Jahren wurde er Soloharfenist bei den Wiener Philharmonikern. Er gibt Soloabende in den besten Konzertsälen der Welt. Seine CD-Aufnahmen werden bejubelt; für die Debussys "Nuit d'étoiles" mit der Sopranistin Diana Damrau bekommt er im Oktober den Echo-Klassik als Instrumentalist des Jahres.

Am 15. September geben die beiden in der Laeiszhalle einen Liederabend mit Werken von Schumann, Strauss, Fauré und Debussy. Es wird die glanzvolle Eröffnung von de Maistres Saison als Artist in residence bei den Hamburger Symphonikern. Intendant Daniel Kühnel hatte das schon vor dem Echo eingefädelt.

Mit den Symphonikern hat de Maistre noch nie gespielt. Insgesamt wird er sechs Konzerte geben. "Ich freue mich sehr, mein Instrument in seinen vielen Facetten vorstellen zu können." Klassikliebhaber haben selten konkrete Vorstellungen von der Harfe - allenfalls denken sie an Engelsklänge und zarte Arpeggi, wenn's romantisch sein soll. Das will de Maistre ändern; seine Programme zeigen es: Das Harfenkonzert des klassisch modernen Komponisten Alberto Ginastera ist dabei. Ansonsten bedient er sich jenseits des recht begrenzten Harfenrepertoires gerne beim Klavier, etwa für den Liederabend mit Diana Damrau. Auch zwei Klavierkonzerte von Joseph Haydn spielt er.

Die Stücke müssen natürlich spieltechnisch für Harfe passen. De Maistre verlangt sich harte Arbeit ab, um sich in Tongebung und Artikulation gegen das zähe Vorurteil von der Harfen-Klangwolke abzuheben. Das Ergebnis aber wirkt mühelos virtuos; de Maistres Spiel ist durchhörbar, farbig und kraftvoll.

Dass de Maistre Berufsmusiker würde oder gar Weltstar, hat ihm an der Wiege keiner gezupft. 1973 geboren und in Toulon aufgewachsen, lernte er wie alle Kinder an französischen Musikschulen erst einmal Solfège, das ist Musiktheorie auf Gesangsbasis. Und verguckte sich, neunjährig, in die Lehrerin. Die unterrichtete zufällig auch Harfe. Obwohl sich seine Hochbegabung sehr bald zeigte, studierte er nach der Schule nicht Musik, sondern Politikwissenschaft. Seine Familie wollte es so. Harfenunterricht nahm er privat - und gewann 1998 den berühmtesten Harfenwettbewerb der Welt in Bloomington (USA).

Seit 2001 ist er Professor an der Hamburger Musikhochschule. Meist fliegt er morgens früh her, unterrichtet den ganzen Tag und nimmt abends die letzte Maschine zurück nach Hause zu seiner Frau, ebenfalls reisende Musikerin, und seiner kleinen Tochter. Das wird er auch weiterhin so halten. "Hinterher bin ich zwar immer völlig fertig", sagt er und lacht. "Aber ich mache das gerne so." Beim Abschied schultert er seine Umhängetasche mit einer Lässigkeit, als wäre er auf dem Weg zur Bushaltestelle. Im nächsten Moment ist er schon im Gewimmel der Fluggäste verschwunden.