Er war sehr dünn und sehr bleich. Er hatte ein Menjoubärtchen, ließ das lackschwarze Haar über die Schulter wallen und trug zum Gehrock eine Seidenschleife - ganz der Südstaaten-Dandy. Man erwartete, dass er sich wegen einer verlorenen Pferdewette duellieren würde.

Hamburg. Aber beim ersten Abendblatt-Interview 1995 erwies sich Willy DeVille als friedlich und überaus charmant.

Der Mann, dessen Erkennungszeichen ein Brillant im Schneidezahn war, starb jetzt mit 58 Jahren in der Nacht zum Freitag in einem Krankenhaus in Manhattan. Erst im Juni hatte seine Familie "mit gebrochenem Herzen" bekannt gegeben, bei dem Sänger sei überraschend Bauchspeicheldrüsenkrebs festgestellt worden, als er gegen Hepatitis B behandelt werden sollte. Damals hieß es auf seiner Website: "Es geht ihm ganz gut. Er hat keine Schmerzen und verbringt die Zeit zu Hause mit Filmen, Musik, Lesen und Gitarrespielen."

"Er ist sehr friedlich verschieden. Ich war an seiner Seite", sagte sein Frau Nina gestern der Deutschen Presse-Agentur.

30 Jahre lang hat er seine weltweite Fangemeinde mit lebensschweren, bittersüßen Balladen verzaubert. Bei seinen Fans galt er als Gralshüter des Rhythm & Blues, aber die wechselnden Moden des amerikanischen Musik-Mainstreams interessierten ihn nicht. In seinem Sound mixte er schwarzen Soul, Rock 'n' Roll, Flamenco und Nashville-Klänge zu einem spannenden, unverwechselbaren Südstaaten-Mix. DeVille war nicht nur äußerlich eine Ausnahmeerscheinung. Er sei "der Prototyp des Rock 'n' Roll-Menschen", schrieb das Magazin "Musikexpress". "Seine Stimme ist rau, trocken, aufregend und dreckig, und in ihr schwingt die sinnliche Anmache, die uns Hörer zittern lässt."

Am 25. August 1950 als William Borsay geboren, wuchs DeVille in New York mit der Musik der 50er- und 60er-Jahre auf. Zu seinen Helden gehörten Bob Dylan und Jimi Hendrix. Er selbst verblüffte mit seiner Latino-Version von Jimi Hendrix' "Hey Joe". "Ich bewundere Leute wie John Lee Hooker, nicht die Beatles", sagte er.

Mit seiner Band "Mink DeVille" veröffentlichte er bis Mitte der 80er-Jahre eine Reihe erfolgreicher Alben, ging dann als Solist seinen eigenen Weg. Für seine Studioalben suchte er sich gezielt Solisten zusammen. Unter anderem arbeitete er mit Altmeistern wie Doc Pomus, Alain Toussaint und Dr. John zusammen, grub Titel von Louis Armstrong, Charlie Mingus oder den Drifters aus, um sie neu zu interpretieren. Im Laufe seiner Karriere trat er mit Van Morrison, Bruce Springsteen, Brenda Lee oder Tom Waits auf.

In den 90er-Jahren zog er nach New Orleans. "Das ist eine Stadt, die vergessen hat, sich über jemanden aufzuregen", sagte er im Interview.

So wie viele in New Orleans kannte sich auch DeVille mit Rückschlägen im Leben aus. Zwei seiner Partnerinnen starben, jahrzehntelang musste er mit seiner Heroin- und Alkoholsucht kämpfen. Einen seiner letzten Auftritte im Hamburger Stadtpark hielt er nur eine Stunde durch. Bei anderen Konzerten spielte er zweieinhalb Stunden - mit unglaublicher Präsenz.

Sein Abschiedswerk "Pistola" (2008) eroberte mit seinen hinreißenden Balladen auch die deutschen Charts. Die für 2009 geplante Tournee hatte er aber bereits wegen seiner Hepatitis-Erkrankung absagen müssen.