Sein Konterfei ziert T-Shirts, Poster und Kaffeetassen: Der Film zeigt Che Guevara als akribischen Arbeiter für die Revolution.

Hamburg. "Wir haben die Ideale, aber sie haben das Klima", seufzt Greta Garbo als Sowjetgesandte in "Ninotschka" beim Atmen der Pariser Luft. Ernst Lubitsch hat mit dieser Pointe bereits 1939 auf den Punkt gebracht, was 20 Jahre später die kubanische Revolution für Idealisten in aller Welt so attraktiv machen sollte. Und auch hier konnten es die Akteure mit Garbo aufnehmen: Sie waren jung und schön. Und der Schönste unter ihnen war Ernesto "Che" Guevara.

Man mag es für frivol halten, Steven Soderberghs ernsthaftes und sperriges Projekt einer viereinhalbstündigen "Che"-Biografie mit Lubitschs leichthändiger Komödie in einen Zusammenhang zu setzen. Andererseits braucht man sich nichts vorzumachen: Äußerlichkeiten haben bei Guevara durchaus mit der Sache zu tun.



Mehr Kino-Trailer auf abendblatt.tv Der schlagendste Beweis ist jenes Foto, das kubanische Fotograf Alberto Korda 1960 aufnahm und 1967, als der Guerillakämpfer bereits auf verlorener Mission in Bolivien war, dem italienischen Verleger Feltrinelli überließ, der es als Poster unter die Leute brachte. Dank Kordas Idealismus - er setzte kein Copyright durch - hat es beispiellose Verbreitung erfahren. Ches Konterfei ziert heute längst nicht nur die Wände rebellisch gestimmter Jugendlicher, sondern alles bis hin zu Kaffeetassen und Unterwäsche. Als Tattoo tragen ihn so verschiedene Menschen wie der Boxer Mike Tyson (auf dem Bauch) und der Fußballer Maradona (am rechten Oberarm).

Die Beliebtheit des Konterfeis übertrifft nicht nur jene der von Guevara vertretenen Ideen; das Bild hat längst auf die Ideen abgefärbt und seine kommunistische Ideologie in einatmosphärisches Traumreich übertragen.

Soderberghs Film, der als Zweiteiler mit verschiedenen Startterminen (Teil 2: 16. Juli) in die Kinos kommt, geht vom ersten Bild an davon aus: Che ist eine Ikone, ein Held - was für Soderbergh weder zu beweisen noch zu widerlegen ist. Womit er die Erwartungen von gleich zwei Seiten enttäuscht: der, die ihren Helden verklärt, als auch der, die ihn entlarvt sehen will. Mehr als fürs Mythenbauen oder -zerstören interessiert sich Soderbergh für die Details, die "Kleinheit" und Begrenztheit des Guerillakrieges, für die Handlungen seines Helden und den Ruf, der ihm daraus entsteht.

Der Regisseur hat sich selbst einen besonderen erarbeitet. Mit "Sex, Lügen und Video" gewann er 1989 die Goldene Palme in Cannes. Seither bewegt er sich im Zickzack von gefälliger Ware wie "Erin Brockovich" bis zur sperrigen Neuverfilmung von Tarkowskijs "Solaris".

"Che" ist wieder das genaue Gegenteil. Weit und breit keine "movie moments": die erste Begegnung mit Fidel Castro - eine beiläufige Begrüßung bei einem Privatessen in Mexiko. Die Landung der Revolutionäre von der Yacht "Granma" - ein melancholischer Blick auf den über die Reling gebeugten Che, dessen Stimme aus dem Off erzählt, dass von den 82 Männern auf der "Granma" nur zwölf den Einzug in Havanna erleben sollten.

Statt ein bisschen romantisches Techtelmechtel im Dschungel mit Mitstreiterin Aleida, die später seine Frau wird - nur ein kurzes Gespräch über den Stadtplan von Santa Clara. Und statt mit dem Triumph in Havanna endet der erste Teil damit, dass Che als Pädagoge zwei Jungpartisanen daran erinnert, dass der wahre Revolutionär nicht plündert. Kurzum: "Che" gehört zu jenen Filmen, die sich über das definieren, was sie nicht tun.

Unterbrochen wird "Che - Revolucion" von zwei in schwarz-weißem "Direct cinema"-Stil gehaltenen Rahmenhandlungen, die Guevara 1964 als Minister der Revolutionsregierung zeigen.

Mit fast frustrierender Konsequenz verweigert Soderbergh die Konventionen der Filmbiografie und rekonstruiert stattdessen eine Erfahrungsrealität im Chaos, in dem kleine Handlungen zu großen Folgen führen. Der blutige Guerillakrieg wird so zur Schule der künftigen Nation, in der auch die revolutionären Tugenden geübt werden: Bauern gut behandeln, für Bildung für alle sorgen, diszipliniert und mutig sein, sich mit Gerechtigkeit und Fairness durchsetzen. Aber auch nicht vor der Erschießung von Schuldigen zurückweichen. Wichtig sind solche Details, und Soderberghs Che ist einer, der Details wichtig nimmt.

Der Regisseur verzichtet auf Psychologisierungen und zeigt stattdessen eine Struktur, in der ein Held, eine Ikone aus dem entsteht, wie andere ihn erleben und was sie sagen. Das gute Aussehen hat dazu das Seine beigetragen.

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