Ein Film über Italien-Klischees, verschiedene Lebensformen und eine (fast) verhinderte Hochzeit. In der Hauptrolle: Christian Ulmen.

Hamburg. Denkt man an Italien, purzeln die Bilder. Das bunte Berlusconi-Italien zwischen Affären und Amtsmissbrauch, das im Sommerloch die Magazinseiten füllt. Donna Leons Venedig-Krimis, in denen Commissario Brunetti auf Ermittlungsgängen und Espressotour durch die Lagunenstadt streift. Und natürlich das Sehnsuchts-Italien, Traumziel so ziemlich aller Deutschen: Tisch und Küche von Mamma mit rot-weiß karierten Tischdecken und dampfender Pasta, die mit reichlich Wein heruntergespült wird - Dolce Vita eben.

Mit diesem ausgereiften Italienklischee spielt der Kinofilm "Maria, ihm schmeckt's nicht" nach dem Bestsellerroman von Jan Weiler, der sich über 1,5 Millionen Mal verkauft hat. Spielen heißt zum einen: Er ist sich der Vorurteile, die er bedient, nicht nur bewusst, er treibt sie auf die Spitze - und erzählt über die Komik der einzelnen Momente hinaus eine Geschichte vom Fremdsein und davon, nicht dazuzugehören; von unterschiedlichen Lebensformen und notwendigen Kompromissen.

Zudem konfrontiert der Film italienisches Lebensfreude-Chaos mit seinem totalen Gegenteil: der träge-langweiligen deutschen Durchschnittlichkeit. Sie findet ihre ideale Verkörperung in einem Mann mit 08/15-Aussehen und Normalo-Attitüde: Jan (gerne auch Gianni oder "De liebe Jung") wird gespielt von Christian Ulmen, der es mit Sendungen wie "Mein neuer Freund" und "Dr. Psycho" zum heimlichen Liebling der Fernsehkritik gebracht hat.

Jan widerfährt nun das, was man wohl einen Kulturschock nennt, als er mit seiner zukünftigen Frau Sara Marcipane (Mina Tander) deren Familienclan in Campobello besucht - ein süditalienisches Dorf, das nicht unbedingt so aussieht, als wolle man sich dort ein Ferienhaus kaufen. Und plötzlich passt nichts mehr zusammen in Jans Leben. Nicht seine Meeresfrüchteallergie und der allabendliche Muscheleintopf. Nicht die ihm heilige Privatsphäre und die groß angelegten Familienausflüge zum Strand. Nicht der Plan, Hochzeitsdokumente zu besorgen und die italienischen Behörden ("Domani, domani" bedeutet hier so viel wie: "Wenn es morgen wieder nichts wird, was anzunehmen ist, kommen Sie halt ein andermal wieder!"). Vor allem aber: nicht Antonio, sein Schwiegervater in spe, und Jans Vorstellungen eines Schwiegervaters. Und vice versa.

Es heißt oft, wenn Dreharbeiten besonders lustig sind, hat der Zuschauer hinterher wenig zu lachen. Weil sich gute Stimmung, harmonisches Miteinander und glückliche Fügungen eben nicht auf Zelluloid bannen lassen. Manchmal gelingt es aber doch, wie im Fall von "Maria, ihm schmeckt's nicht", wo sich Film und Wirklichkeit, Drehbuch und reale Ereignisse wechselseitig inspiriert haben. Bei den Kommunikationsschwierigkeiten zum Beispiel. Nicht nur Jan fühlt sich seinen Mitmenschen hilflos ausgeliefert mit seinen dreieinhalb Brocken Italienisch und dem kleinen gelben Wörterbuch in der Hand.

Auch die Dreharbeiten verliefen in dieser Hinsicht etwas, nun ja, ungewöhnlich. Denn Lino Banfi, neben Christian Ulmen der zweite Hauptdarsteller und in Italien verehrt wie hierzulande Franz Beckenbauer, spricht insgesamt drei Wörter Deutsch: "Jawohl" und "Bis morgen". Was man beim Dreh mithilfe großer Pappschilder löste, von denen Banfi die eigens für ihn entwickelte Lautschrift ablas, das sogenannte "Marcipane-Deutsch". Herausgekommen sind herrlich radebrechende, verknotete Teilsätze, deren Bedeutung sich, wenn überhaupt, durch Gestik und Mimik erschließen.

Man darf annehmen, dass sich Neele Leana Vollmar auffällig von jenen Regisseuren unterscheidet, mit denen Lino Banfi bislang zusammengearbeitet hat. Sie ist eine Frau, sie ist blond, jung und hübsch und hat, nicht zu vergessen, bereits drei Kinofilme (u. a. "Urlaub vom Leben") gedreht. Banfi ist ein 73-jähriger Italiener, der für gewöhnlich hofiert wird. Eine der ersten Szenen des Films schildert das Kennenlernen von Jan und Antonio. Hier der aufgeregte junge Mann, der mit schwitzenden Händen einen Blumenstrauß umklammert und sich um Konversation bemüht. Da der Hausherr, der breitbeinig in Jogginghose in seinem Fernsehsessel hockt, Nüsse knackt und in sich hineingrummelt: Wer ist der komische Kerl, der mir meine Tochter wegnehmen will?

Ganz ähnlich, erzählt Vollmar, habe sich ihre erste Begegnung mit Lino Banfi in Rom abgespielt. Nüsse knacken, tiefes Brummen, skeptischer Blick. Ein kleines Wunder also, dass es geklappt hat mit der Rolle - auch weil Banfi zum ersten Casting in seiner Schauspielkarriere antreten musste.

Nicht zuletzt hat Christian Ulmen diesen Film zu dem seinen gemacht, wie man es selten sieht im Kino. Nämlich so, dass man sich nicht vorstellen kann, wie "Maria, ihm schmeckt's nicht" ohne ihn funktionieren würde, wie er überhaupt zustande gekommen wäre.

Wie Ulmen umhertapst, viel zu hoch lacht und dabei stumme Hilfeschreie aussendet; wie er sich lockerzumachen versucht, was ihm niemals gelingt, weil er eben das Gegenteil des feurigen, spontanen, Italieners ist - wie er das macht, ist allein schon sehenswert. Den Machern ist es gelungen, all die kleinen charmanten Nebensächlichkeiten, die sich um die Entstehung ranken, und ein leises Gefühl von Chaos auf die große Leinwand hinüberzuretten. Italien kann so schön sein.

Premiere heute um 20 Uhr im Abaton. Zu Gast ist die Regisseurin Neele Leana Vollmar, die ihren preisgekrönten Kurzfilm "Meine Eltern" mitbringt. Kinostart ist am Donnerstag.

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