Als 15-Jährige habe ich den Satz “Man ist nur so alt, wie man sich fühlt!“ gehasst. Er galt nämlich nur für Erwachsene; meist für jene, die es nicht verkraften konnten, nicht mehr zur Jugend zu gehören.

Außerdem funktionierte er nur in eine Richtung - behauptete ich; mich mit 15 bereits wie 35 zu fühlen und demnach alle Gefühlsernsthaftigkeiten eines Erwachsenen beanspruchen zu können, wurde mild abgewunken: "Komm erst mal in mein Alter." Wozu? Um mich grundlos jünger fühlen zu wollen?! Ich vermutete, dass die Alten die Jugend unheimlich finden; warum sonst behandelten sie Teenager wie nachlässig gestaltete Nachwuchsmenschen? War die Jugend ihnen vielleicht überlegen?! Ich beschloss es herauszufinden - und außerdem nie jemand zu werden, der nicht mal seinem Ausweis traut, wenn es um Jahreszahlen geht.

20 Jahre später bekomme ich die Gelegenheit, zehn Tage lang auf einer Schute im Wilhelmsburger Veringkanal an der zum Kulturzentrum umgebauten Honigfabrik. "Das Glück" sollten wir, drei Dozenten und ein Dutzend Jugendliche, schreibend umzingeln, bis zum 6. August, 12 Uhr.

Fast täglich zog der Himmel ein blaues Sommerhemd über, während ich Mädchen und Frauen zwischen 14 und 21 an Deck der "Maknete" das Schreibhandwerk lehrte; also Lügen, Amoral und kleine Tricks, um Wahrheit, Schmerz und Träume bild- und glaubhaft zu verkünden.

Ach, was - "lehrte"? Das ist die wichtigtuerische Hälfte, die andere ist: Ich wurde zur Schülerin der Jugend. Ich lernte, dass es bei Gefühlen großer Sorte keine Altersunterschiede gibt. Ich lernte wieder mit der Freiheit des Schreibens zu spielen; man schreibt mutiger, wenn man keinen Scheck dafür erwartet. Ich lernte, dass ich alt bin, aber für die Jugend akzeptabel genug, dass sie mich in ihre Sprache und Szenen einweihte: über Emos, warum sie von Hoppern gedisst werden, wie Bling-Bling-Tussis rumbitchen, Visus 'ne Art Funny-Emos sind ... (fragen Sie mal Ihre Kinder danach. Sie werden staunen!). Und was ich von Susan, Kristin, Isabella, Anila und Gesa noch lernte, war das Geheimnis der Überlegenheit der Jugend, vor der die Nichtjugend sich fürchtet: Sie traut sich. Der jugendliche Lebensmut grenzt an die Kraft von Trauben, die aus ihren Schalen platzen.

Glück wäre es, wenn sie nicht auf zu viele vertrocknete Rosinen träfe, die diese Kraft versucht zu zähmen.

Abschlussparty Sommer-Akademie "Glück 2009", Sa 8.8., ab 15.00, Honigfabrik (Bus 13), Industriestraße 125-131; www.honigfabrik.de

Nina George schreibt jede Woche in LIVE und liebt Hamburg.