Rechtzeitig zum Christopher Street Day bringt Ulrike Grote die turbulente Schwulenkomödie auf die Bühne.

Hamburg. Salopp am Bühnenportal lehnend, lädt Hans-Jörg Frey sein Chanson singend ins "Gay Paris". Der blondierte Schauspieler mit lässig abgeknickten Händen und eindeutigem Hüftschwung lässt keinen Zweifel daran, von welchem Seine-Ufer er herkommt. Der Fransenvorhang gibt einen leeren Bühnenraum frei, dominiert von der Band und Matthias Stötzel am Klavier. Das Akkordeon und Henri Mancinis süffige Melodien mit Musette-Walzerschwung entführen unter den Pariser Nachthimmel.

Regisseurin Ulrike Grote verlegt die Verwechslungskomödie "Victor/Victoria" aus dem pompösen Art-déco-Ambiente von Blake Edwards' Hollywood-Hit in die schäbige Halbwelt von Kleinganoven und Transen. Sie und Bühnenbildnerin Katrin Kersten konkurrieren erst gar nicht mit dem Film, vertrauen vielmehr klug auf die Wirkung einfacher Theatermittel: Rollendes Mobiliar und Gardinen deuten die Schauplatzwechsel an. Nur Volker Deutschmanns Kostüme dürfen in den Lichtspots quietschbunt glitzern und schillern.

Blake Edwards ("The Pink Panther") drehte 1981 mit Julie Andrews und James Garner ein Remake des deutschen Films "Viktor und Viktoria" von Reinhold Schünzel. Der Ufa-Star Renate Müller und die spätere Burgtheater-Legende Hermann Thimig hatten 1933 die Komödie zum Überraschungserfolg gemacht, die danach in Frankreich und England nachproduziert wurde. Trotz des unzweifelhaften Nostalgie-Charmes der Geschichte aus den Zwanzigerjahren um das Crossdressing der erfolglosen Schmalzsängerin, die sich in Männerkleidern zum Star mausert, behält die Farce in puncto Schwulenfeindlichkeit und Outing-Problemen (traurige) Aktualität.

Überlebensnotwendige Frechheit und Selbstironie gibt Hans-Jörg Frey dem näselnden Toddy, einer freimütigen Tunte mit frecher Schnauze und dem Herz am rechten Fleck. Er wickelt Victoria und das Publikum um den kleinen Finger - nicht zuletzt mit seinem überraschenden Schlussauftritt in Fächer, Perücke und Blumenrock der "Shady Dame of Seville".

In der Maske des "zwielichtigen spanischen Weibs" fasziniert auch der "schwule polnische Graf" Victor (Maike Kircher), der verführerisch singend und tanzend den Mafioso King Marchan betört. Sehr zu dessen eigener Verwirrung und der Verblüffung seiner Killer-Clique und Geliebten Norma (Regina Stötzel): Sie stürzt sich nicht nur in einen gewagten Tabledance, sondern auch in die grelle Karikatur des lispelnden dummen Blondchens. Eifersüchtig versucht Norma die Männer zu "bekehren", doch der King setzt sich über seine Vorurteile hinweg. Stefan Haschke zeichnet ihn nicht als gefährlichen Gentleman-Verbrecher, sondern als kleinen stämmigen und homophoben Italo-Macker - ein "süßer" Komiker in Herzensnöten.

Das erotische Katz-und-Maus-Spiel zwischen ihm, Victoria, Toddy und Kings Leibwächter treibt die Regisseurin nach der Pause in den beiden Hotelzimmern als offensichtlichen Slapstick-Klamauk mit Hechtrollen über das Bett und viel Gestrampel unter der Decke turbulent auf die Spitze. Ulkig, wenn auch meist stumm wie ein Kürbis, trottet Simon Zigahs hünenhafter Bodyguard Squash durch die Szene - bis die farbige Closet Queen unerwartet und plötzlich die Stimme ihres Herzens sprechen lässt. Zu den Glanzpunkten der Aufführung mit wenigen Zwischentönen zählen jedoch die von Ute Geske schmissig choreografierten Songs und Shownummern in diesem charmant unbeschwerten und unterhaltsamen Sommertheater-Vergnügen.

Victor/Victoria bis 5.9., Altonaer Theater, Karten unter Telefon 39 90 58 70 und www.altonaer-theater.de .