Mozarts “Liebchen-wechsel-dich-Spiel“ um emotional verwirrte Paare begeisterte das Publikum. Doch zu einem finalen Paukenschlag reichte es nicht.

Salzburg. So viel einerseits-andererseits war lange nicht. Wahrscheinlich wäre es dem Salzburger Premieren-Publikum noch lieber gewesen, wenn es eine durch und durch albernere "Così fan tutte" bekommen hätte, bei der das Liebchen-wechsel-dich-Spiel noch viel eindeutiger durchgezogen worden wäre. Am besten noch mit boulevardeskem Türenknallen als Begleitmusik zum Rein-Raus-Spiel der beiden emotional verwirrten Paare. Doch diesen Gefallen hat Regisseur Claus Guth, der im Oktober seinen noch unentschlossenen Hamburger "Ring" mit dem "Siegfried" entschieden zielstrebig fortzusetzen hat, ihnen nicht getan. Denn so einfach machen es sich ja fast alle, wenn sie an Renommier-Adressen wie den Salzburger Festspielen schnell punkten wollen.

Guth hat stattdessen mit atmosphärischen Verweisen und Zitaten der Bühnenbilder von Christian Schmidt auf die ersten beiden seiner drei Salzburger Da-Ponte-Inszenierungen eine über sehr weite Strecken sehr konventionelle, respektvoll heruntergedimmte "Così" abgeliefert. Regietheater als Wertarbeit - ganz anders also, als es Daniel Kehlmann hier gerade in seiner verunglückten Eröffnungsrede an den Pranger gestellt hat. Eine dramaturgisch raffinierte "Paarabel", die viel hintergründig gemeintes Stellungsspiel bietet, nur eben keine simplen Antworten auf die Fragen "Warum der, warum ich, und warum, vor allem: wir?" Eine gegenwärtig gedachte Zustandsbeschreibung, die man auch als Kapitulation vor der heiklen Aufgabe verstehen konnte, das berüchtigte Durcheinander gerade dieser Mozart-Oper zu entwirren und womöglich noch den Auftakt-Coup des "Figaro" zu übertrumpfen.

Um auch optisch eine Verbindung zu den anderen beiden Da Pontes herzustellen, waren die "Figaro"-Treppen von 2006 wieder da, vor allem aber der "Giovanni"-Wald aus 2008, der als Anspielung aufs böse, böse Unterholz der Psyche ins coole Designer-Appartment hineinwuchert und die adrett durchsortierte Schwarz-Weiß-Beziehungswelt der Schwestern Dorabella und Fiordiligi mit finsterer Naturgewalt verdreckt und aufbricht.

Provokant überraschend war hier im Salzburger "Haus für Mozart" sehr wenig. Guth präsentierte, wie es seine überhaupt nicht zum Berserkern neigende Regie-Art ist, ein handverlesen hübsches Modell-Ensemble in einer hübschen Wohnung, einer Beziehungskiste mit Designer-Sofa vor dem Kamin, aus dem Dorabella einmal ein brennendes Stück Holz zieht, um ihr Spiel mit dem Feuer zu symbolisieren. Ein Besserverdiener-Kammerspiel des Zweifelns aneinander und Verzweifelns miteinander. Das ganze Verkleidungs- und Verwechslungs-Brimborium, mit dem das Libretto aufwartet, deutet Guth ohnehin nur als Beziehungskrisen-Symptome. Wer seinen Partner täuschen will, brauchte dafür noch nie Masken.

Die vier Anziehpuppen tanzen lässt der kalt-mephistophelische Intrigant Don Alfonso (Bo Skovhus, ein Wiedergänger seines "Figaro"-Grafen) als Guths Bühnen-Stellvertreter. Er hält die Fäden in der Hand, an denen Fiordiligi, Dorabella, Ferrando und Guglielmo bis zum bitteren Happy End zu hängen haben. Er ist der böse Geist, der stets verwirrt.

Auf hohem Niveau hinter den Erwartungen zurück blieben Adam Fischer und die Wiener Philharmoniker. Im Graben wurde von ihnen nur Dienst nach Vorschrift abgeleistet, es gab einen Mozart von der Stange, verbindlich, ordentlich, unaufregend. So kam bei diesem Regie-Dreier leider überhaupt keine orchestrale Einheit auf: Nach dem funkensprühenden Nikolaus Harnoncourt zu Beginn und der Schlaftablette Bertrand de Billy nun also mit Fischer nur solides, blasses Mittelmaß.

In der hochtourig agierenden Patricia Petibon als quirlige Zofe Despina mit pippilangstrumpfroter Lockenmähne hat Guth nach Christine Schäfer als Cherubino im "Figaro" einen weiteren hörenswerten Hingucker auf der Besetzungsliste. Sie darf voll aufdrehen, nach Herzenslust mit Requisiten um sich schmeißen und auch mal zappelig Luftgitarre spielen. Miah Perssons Fiordiligi ist eine Seele von Frau, sie blüht in den großen Auftritten des zweiten Aktes gewaltig auf. Isabel Leonards Dorabella hat Charme und Anmut, aber noch nicht deren Durchschlagskraft. Auch bei den Herren ist Florian Boeschs Guglielmo hörenswerter als der Ferrando des jungen Finnen Topi Lehtipuu. Kein Star-Ensemble also, aber eines, das sich nach Kräften bemüht.

Gott ja, die Liebe, Mensch, ich weiß es doch auch nicht so genau, seufzt einen das Opern-Dreierpack an. Dank dieser widerspruchslos bejubelten "Così" endet Guths Salzburger Mozart-Trilogie ohne den alles ins Sichere auflösenden Schlussakkord; nicht mit einem finalen Paukenschlag, sondern mit einem resignierten Schulterzucken. Das ist nicht wenig, aber mehr war wohl nicht drin.