Die Fahrt nach Hitzacker fühlt sich an wie eine kleine Zeitreise: Wenn der Bummelzug aus Lüneburg durchs Wendland tuckert, wird der Besucher behutsam auf ein neues Tempo eingegroovt. Und im idyllischen Elbstädtchen selbst scheint sich alles ein paar Umdrehungen langsamer zu bewegen.

Hitzacker. Keine Frage, hier ticken die Uhren anders als in der Großstadt - das ist auch bei den Sommerlichen Musiktagen zu spüren.

Einen Dresscode gibt es nicht; T-Shirt und Jeans sind ebenso in Ordnung wie Sakko und Sommerkleid. Überhaupt ist die Atmosphäre angenehm locker: Während eines Konzerts in der St.-Johannis-Kirche kichert eine junge Dame vor Vergnügen über virtuose Streicher-Scharmützel in einem Haydn-Quartett. So etwas wäre in einer Kammermusik-Abo-Reihe kaum denkbar - doch in Hitzacker wird ein unverkrampfter Zugang zur Musik gepflegt. Und das ist vor allem ein Verdienst von Markus Fein: Seit 2001 arbeitet der Intendant ideenreich daran, starre klassische Konzertrituale aufzubrechen. Auch deshalb gehören die Sommerlichen Musiktage heute zu den international spannendsten Festivals.

Im Jubiläumsjahr des Komponisten einen "Tag mit Haydn" einzubauen, das wäre wohl auch anderen Dramaturgen eingefallen. Seine Werke mit Bartók, Kurtág und einer Auftragskomposition von Bernhard Lang zu kombinieren, ist schon eher speziell. Dass das junge, am Ende ein wenig müde Quatuor Ebène und der feinsinnig-filigrane Flügelstreichler Marino Formenti mit ihren Interpretationen sehr eigene Wege einschlagen, passt ins Konzept und regt den Gesprächsbedarf weiter an: In Hitzacker findet ein lebendiger Austausch statt. Zum Beispiel beim Buffet auf der Terrasse des Konzertsaals "Verdo" mit Blick auf den Elblauf.

Die weit geschwungene Landschaft mit ihren grünen Auen ist ein integraler Bestandteil der Musiktage - vor allem beim mehrstündigen Festival-Walk, der diesmal bei Traumwetter am Deich entlang führt und unter anderem ein Alphornquartett und zeitgenössische Zitherklänge am Wegesrand präsentiert.

Diese musikalische Gebirgstour ist eine von mehreren Facetten des Festival-Themas "Europa": Es kombiniert Wiener Klassik mit türkischer Musik; entführt in die Vokalmusik der italienischen Renaissance oder zeigt den Zauber des französischen Impressionismus mit dem Quatuor Ebène in Gala-Form. Die kommenden Tage bringen unter anderem noch portugiesischen Fado und polnischen Klezmer - bevor der Bummelzug wieder ins hektische Großstadttempo zurückführt.

Noch bis 2.8., Info unter 05862/94 14 30; www.musiktage-hitzacker.de