Eine Dokumentation in der ARD erzählt die Geschichte der FDJ, die sich als Kampfreserve der SED verstand.

Dokufilm: Freundschaft! Die Freie Deutsche Jugend.

22.45 Uhr ARD

Offiziell war die Mitgliedschaft freiwillig, doch wer sich der Freien Deutschen Jugend (FDJ) entzog, verzichtete damit auf Bildungs- und Karrierechancen. Unangepasstes Leben hatte in der DDR einen hohen Preis, im gleichgeschalteten Bildungssystem war er besonders hoch: In der ersten Klasse wurde man Junger Pionier, in der vierten Thälmann-Pionier und mit 14 Jahren FDJler. Wer sich nicht bereitfand, das Blauhemd der FDJ anzuziehen, wurde in der Regel nicht zum Abitur zugelassen und konnte später kaum studieren. Allenfalls für Pastorenkinder, die Theologie studieren wollten, gab es Ausnahmen, aber sonst galt die "allseitig gebildete sozialistische Persönlichkeit" als verbindliches Bildungsziel. Kein Wunder also, dass die meisten Menschen, die in der DDR aufgewachsen sind, auch Mitglieder der FDJ waren. "Freundschaft" war der offizielle Gruß der kommunistischen Jugendorganisation, die sich selbst als "Kampfreserve der SED" verstand. "Freundschaft! Die Freie Deutsche Jugend" heißt auch der Film von Lutz Hachmeister und Mathias von der Heide, der mit dokumentarischem Material und den Statements von Zeitzeugen eine Gesamtdarstellung der FDJ versucht.

Dabei ist zwar keine stringent erzählte Geschichte der FDJ herausgekommen, dafür aber eine facettenreiche Darstellung, in der es neben den historischen Fakten und Entwicklungen auch um das Lebensgefühl geht, das ehemalige DDR-Bürger mit der uniformierten Jugendorganisation verbinden. Der Regisseur Andreas Dresen ("Sommer vorm Balkon") erinnert sich an "eine merkwürdige Mischung aus Pfadfinderorganisation und ideologischem Überbau". Die heutige Bundeskanzlerin Angela Merkel, die - für ein Pfarrerskind absolut untypisch - Mitglied war, sagt in einem Interview von 1991, dass sie gern in der FDJ gewesen sei, weil man dort viele Dinge unternommen habe, "die mit dem System und seiner Ideologie wenig zu tun hatten". Sie räumt aber Opportunismus als wichtigen Grund für ihre Mitgliedschaft ein.

Leider erläutert die Doku gelegentlich Begriffe und Zusammenhänge nicht. So ist etwa in einem pathetischen FDJ-Gedicht von der Wische die Rede, ohne dass der Zuschauer erfährt, dass es sich bei der Trockenlegung der altmärkischen Wische in den 50er-Jahren um eine von großem propagandistischen Aufwand begleitete FDJ-Aktion handelte.

Spannendes Material bietet die Doku vor allem zu wenig bekannten Kapiteln der FDJ-Geschichte. So erfährt man, dass die Gründung nicht in der DDR, sondern 1936 und 1938 im Pariser und Prager Exil erfolgte. Relativ breiten Raum nimmt auch die Geschichte der FDJ in der Bundesrepublik ein, wo sie von der SED und der ihr eng verbundenen KPD für die politische Auseinandersetzung instrumentalisiert wurde, bis das Bundesverfassungsgericht den West-Ableger 1954 verbot. Zu den eher kuriosen Momenten gehört die Erinnerung von Klaus Bölling an seine kurze Zeit als Redakteur der FDJ-Jugendzeitschrift bis 1947. Der spätere Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin erzählt schmunzelnd, wie er auf einer Reise nach Dresden mit dem damaligen FDJ-Chef Honecker in einem Ehebett schlafen musste.