In der neuen Ausgabe des “Duden“ ist das Wort “fremdschämen“ in den deutschen Wortschatz aufgenommen worden. Na gut!

Als ob es nicht schon reicht, dass man mit dem Schämen für sich selber alle Hände voll zu tun und genug am Hals hat, soll man sich jetzt auch noch für andere schämen. Könnten die das nicht selber erledigen und sich einfach vorher schämen, bevor man sich für sie schämen muss?

Muss Frau Schickedanz öffentlich darüber greinen, dass sie praktisch wie eine Hartz-IV-Empfängerin von 600 Euro im Monat leben muss und dass sie sich keine Petersilie in der Suppe mehr leisten könnte, wenn sie die nicht in ihrem Gärtchen selber anbaute. Peinlich ist das, jetzt muss man sich in Deutschland schon für seine Reichen und Ex-Reichen schämen, die zu Heulsusen mutieren. "Besser arm dran als Arm ab!", möchte man Frau Schickedanz zurufen. Aber dann weint Wolfgang Porsche öffentlich, weil er Wendelin Wiedeking einen goldenen Fußtritt verpasst hat, nachdem der sich mit Billigung seines Gönners um zehn Milliarden verzockt hatte. Sind das Krokodilstränen, wie sie Baron Rothschild einst vergossen hat, als er einen Schnorrer vor die Tür setzen ließ und dem Hausdiener befahl: "Schmeiß ihn raus! Sein Elend zerreißt mir sonst das Herz."

Oder soll man sich für den Thai-Boxer Uwe Hück schämen, der sich für Wiedeking aufplusterte wie ein wild gewordener Türsteher, um dann mit in seinem lauten Getöse zusammenzubrechen. Müssen deutsche Autogewerkschafter Hartz-Lustreisen machen und goldene Ringe im Ohr haben? Ach Fremdschämen! Früher war das eine Sache, die in der Familie blieb, wenn die Tante die Achillesferse lauthals für ein Gedicht hielt und der Vetter in die Artischocke hineinbiss. Damals hieß Fremdschämen noch Peinlichsein.

Heutzutage fremdschämt man sich als alter Mann sogar für den Viagra-Fall Berlusconis. Dass der, obwohl Milliardär und Staatschef, einer Hure nur Schmerzen in Putins Bett anbietet und keinen Briefumschlag mit Geld, sondern nur eine kleine Schildkröte. Wenn sich Putin schon nicht schämt, dass sich Berlusconi in seinem Bett nicht fremdschämt, warum dann ich? Denn eigentlich war Fremdgehen wie Fremdschämen etwas sehr Privates, das man für sich selber erledigte und nicht fremdbestimmt von Illustrierten erledigen ließ. Und daher bitte ich die Leser, sich an meiner statt fremdzuschämen, dass ich mich für einen weinenden Porsche und einen altersgeilen Berlusconi fremdschäme, ohne mich wirklich zu schämen.