Im Schanzenviertel braut sich was zusammen. Neue Chaoten-Demos sind aber nicht zu befürchten. Entspannt geht es bei sommerlichem Wetter ums Haus III&70 am Schulterblatt zu.

Hamburg. Junge Theater-Anarchos und Off-Szene-Spontis demonstrieren beim "Kaltstart"- und "Fringe"-Festival ihre Künste. Bis zu zehn Veranstaltungen bieten die Nachwuchsfestivals noch bis zum 19. Juli.

Die Qual der Wahl erleichtert das blitzblaue Programm-Pokerspiel "How to play Kaltstart". Jeder kann sich sein Blatt aus Stück, Künstlern oder durch Zufall legen. Überraschungen sind garantiert: Das "Fringe" lotste zur Premiere von "Vincent River" ins "Fundbüro". Ein idealer Spielort für Peter Dorschs Inszenierung von Philip Ridleys Duell um die Wahrheit beim Mord an einem jungen Schwulen. Alle paar Minuten donnerten - passend zum Stück - Züge über das Gewölbe. Warum aber Iris Bettina Kaiser die Gluckenmutter aus dem Londoner East End in rotem Chiffonkleid als pichelnde Exzentrikerin anlegte, bleibt ihr und des Regisseurs Geheimnis.

In luftiger Höhe auf dem "Terrace Hill" des Feldstraße-Bunkers beschwor Torben Kessler für "Kaltstart" den "Fluch der Karibik" in einer multimedialen Puppenspiel-Performance (Regie: Klaus Gehre), zog bissig und witzig Parallelen zwischen Bankhaien und Piraten. Wieder hinunter ins Haus III&70: Den dunklen Keller verwandelten Elzemarieke De Vos und David Ruland mit Sandsäcken in eine Wüste für Paul Brodowskys "Dingos". Aus dem Abenteuerurlaub macht der eifersüchtige Georg einen Horrortrip. Anne Schneider setzte in der Produktion der Berliner Schaubühne klug auf intensiven Körpereinsatz und die Fantasie des Zuschauers - wie Boris von Poser im Kriegsspiel-Projekt nach Schimmelpfennigs "Für eine bessere Welt" mit Schauspielschülern aus Bern. Oder das Physical Theatre der Essener Folkwang-Hochschule in den sportiven Parodien von Helden-Comics und Computer-Kampfspielen.

Ein Glanzstück bot Ernst Stötzner vom Deutschen Theater mit Scott Fitzgeralds autobiografischen Reflexionen "Der Knacks". Mit dem Wirkungsinstinkt des Könners macht er sich den Text zu eigen, jongliert im schlüssigen Regiekonzept der jungen Karoline Behrens spielerisch mit Worten und Pausen, gibt eine subtile Studie über den seelischen Zerfall eines Erfolgsautors. Gerade aus dem improvisierten "Unplugged"-Charakter heraus gewann diese Aufführung wie auch viele andere dieses couragierten Nachwuchsfestivals ihren Charme.

Kaltstart und Fringe bis 19.7., Haus III&70 und Klubs, Info: www.kaltstart-hamburg.de , www.fringe-hamburg.de