“Ein Kopfkissen mit gezacktem Rand ist ein Ravioli“, sagt das Mädchen. “Kalender“ klingt wie “Geländer“ und “Pfirsich“ wie “für sich“. Ihr Vater staunt darüber, dass doch alles zusammenhänge. Nur habe er selbst leider vergessen, wie.

Hamburg. "Spricht das Kind" heißt das Bändchen, in dem der Berliner Autor David Wagner Beobachtungen aus dem Leben mit seiner Tochter zusammenträgt und mit eigenen Kindheitserinnerungen versetzt. Lakonisch und sensibel, mal komisch und mal melancholisch, vollzieht er nach, wie das Vatersein ihm die Kindheit erschließt und die Welt neu erklärt. Federleicht lesen sich diese Miniaturen, rufen aber auch bestürzende Erinnerungen wach: Wer hätte keine Missverständnisse, keine verpassten Gelegenheiten zu bedauern?

Den Namen der Tochter erfahren wir nicht; ihr Alter schwankt von Begebenheit zu Begebenheit. Aus seinem Erwachsenendasein gibt der Autor nur einige dürre Tatsachen preis. Von der Mutter des Kindes lebt er getrennt, seine eigene Mutter hat er früh verloren. In den Rückblenden kommt seine Kindheit bürgerlich behütet daher und zugleich voller Abgründe. Tanten waren wohl dazu da, dem Neffen das Gesicht mit "Tantenspucke" abzureiben. Und eine seiner Kindergärtnerinnen wollte er gar mit selbstgestoßenem Vogelbeerenpulver umbringen. Das misslang.

Wagner stellt die Kindheit seiner Tochter mit ihren Aufbrüchen und Verunsicherungen, mit ihren vielen Entdeckungen und noch mehr Fragen in einen zeitlichen und großfamiliären Zusammenhang. Welche Schönheit in den kleinsten Dingen, den einfachsten Vorgängen wohnt, das zeigt er bar allen Kitsches in wenigen Worten. Er lässt die Pausen sprechen und die Sätze wie Verse schwingen. Die größte Stärke des Textes ist seine Konzentration auf die kindliche Wahrnehmung. "Stirbst du bald?", erkundigt sich die Kleine sachlich. Sie ist geübt genug im Abschiednehmen, um ihren Vater zu trösten: "Papa, ich komm doch wieder."

David Wagner: Spricht das Kind. Literaturverlag Droschl, 144 Seiten, 18 Euro.