Der Film soll ein Gegenentwurf zum grassierenden Historienspektakel werden. Besuch bei den Dreharbeiten.

Burghausen. Ein Mann und eine Frau spazieren durch die Dämmerung. Er ist Arzt, ganz in Schwarz, mit Zylinder und besorgtem Blick, sie eine Hebamme, in sich versunken, so schwer wie ihre Gedanken hängt das Leinen an ihrem Körper. "Rosa, Sie sollten darüber Stillschweigen bewahren. Überlegen Sie, was es bedeutet, wenn die Taufspritze wirklich eine der Ursachen des Kindbettfiebers ist." Die Frau zeigt sich unbeeindruckt: "Ich soll schweigen, wenn das Weihwasser schlecht ist und Weiber sterben?!"

Kloster Raitenhaslach, Sommer 2009. Es gibt bizarre Bilder, wenn ein Filmtross in ein barockes Kloster einfällt, um einen Film aus der frühen Biedermeierzeit zu drehen, der alles andere als ein Idyll zeigen will. Da nimmt ein Mann, der ein Hightech-Ungetüm um den Körper geschnallt hat, Menschen ins Visier, die eine Zeitreise ins Jahr 1815 antreten. Da schauen Kameramann und Regisseurin gebannt auf den Bildschirm. Die Schauspieler Brigitte Hobmeier und Misel Maticevic ziehen die Aufmerksamkeit auf sich. Der stattliche Mann und die schlanke, rothaarige Frau mit dem blassen Teint. Vergessen die Steadycam, vergessen die Technik. Über eine Minute dauert das Bild. Alle halten den Atem an. Die Zeit steht still. Dann das erlösende: "Und Aus!"

In Tirol und Oberbayern entsteht das ZDF-Drama "Bergwehen". Erzählt wird die Geschichte einer Hebamme, die in Konflikt mit ihrer jahrhundertealten Gebärkunst gerät. Die Kirche und die Karrieresucht der Mediziner stehen ihrem Wunschbild von der "sanften Geburt" im Weg. "Die Geburten wurden in Gebäranstalten zwar sicherer, aber die Weiber wurden zugleich als Forschungsmaterial für die Studenten missbraucht", sagt Brigitte Hobmeier. Der Münchner Theaterstar spielt die Hauptrolle in dem Drei-Millionen-Euro-Projekt. "Mein Gott, wie würde es mir ergehen, wenn ich in der damaligen Zeit gelebt hätte?" Immer wieder sei ihr dieser Gedanke beim Einlesen in die Rolle gekommen. "Auf dem Feld das Kind bekommen, es der Schwiegermutter in die Hand gedrückt und wieder aufs Feld. Zwei Tage später ist die Frau dann gestorben. So sah damals oft die traurige Realität aus."

Historische Fiktion hat es seit Jahren schwer im Fernsehen. Je stärker sich Zeitgeschichte zum Doku-Drama hin orientiert, desto geringer ist der Erfolg. So wollten beispielsweise nur drei Millionen Zuschauer den exzellenten Dreiteiler "Die Wölfe" sehen. Historische Filme fernab von Drittem Reich und Nachkriegszeit finden noch weniger ihr Publikum. Ein Film wie Dominik Grafs "Das Gelübde" erwies sich für viele Zuschauer als zu existentialistisch, zu dialoglastig.

Nur im Gewand des Event-Movies findet die Historie heute ein großes Publikum. Ob "Dresden", "Die Flucht" oder zuletzt "Krupp - Eine deutsche Familie" - die Produzenten und Sender versuchen in doppelter Hinsicht Geschichte zu machen. Histotainment heißt das Schlagwort. Je mehr Kintopp, desto besser. Selbst der Pionier des Doku-Dramas Heinrich Breloer modelte Thomas Manns "Buddenbrooks" zur historisierenden Seifenoper um.

August Zirner, der in "Bergwehen" einen Medizinalrat spielt, ist auf kostümierte Event-Movies nicht gut zu sprechen. "Viele der Historienfilme sind für mich völlig unhistorisch, weil sie pseudomodern sind und Geschichte nur als Kulisse benutzen." Über das Drehbuch von Peter Probst ist er aber voll des Lobes: "Es ist ein historischer Stoff, und er geht bewusst mit der Historie um."