Nach außen sind sie ein ganz normales Paar. Sie: Grundschullehrerin, er: Streifenpolizist. Nach außen führen Georg und Anne ein ganz normales, etwas kleinbürgerliches Leben; sie sind seit zwanzig Jahren verheiratet, die erwachsenen Kinder studieren und sind schon aus dem Haus.

Dass häusliche Gewalt sich meist hinter den Fassaden abspielt, mag bekannt sein - hier findet sie in einer Konstellation statt, die überrascht: Es ist Anne, die Georg regelmäßig verprügelt. Wie ein Kind rollt sich der massive Mann auf dem Fußboden zusammen und lässt die wütenden Schläge über sich ergehen. Wimmernd und wortlos. Mit großer Intensität verkörpern Thalia-Schauspielerin Victoria Trauttmansdorff und Matthias Brandt, ohnehin ein Experte für Figuren mit zerrissenen Innenwelten, die beiden traurigen Protagonisten. Das verstörend-feinfühlige Drama "Gegenüber" von Nachwuchsregisseur und Autor Jan Bonny läuft in der Reihe "Debüt im Ersten", die vergangene Woche mit der Single-Komödie "Shoppen" eröffnete und noch sieben weitere sehenswerte Filme am Montagabend bereithält. Das Filmfestival in Cannes lud "Gegenüber" in die renommierte Reihe "Quinzaine des Réalisateurs" ein, wo er eine lobende Erwähnung erhielt.

"Mein Film hat keine Botschaft, keinen pädagogischen Zeigefinger", sagt Bonny. Das macht das Drama so bemerkenswert. Auch wenn der Plot reißerisch klingt, ist es vor allem eine stille Hilflosigkeit, die aus den Figuren spricht - und sich im Inszenierungsstil und der klaustrophobischen, unbehaglichen Grundstimmung niederschlägt. "Zu Hause" kann sehr kalt sein.