Michael Ebert (34) und Tim Klotzek (35), Chefredakteure des Magazins “Neon“, haben eine Buch über Perspektiven und Probleme der “Generation Krisenkinder“ geschrieben - “Planen oder treiben lassen?“ lautet der Titel.

Hamburg. Michael Ebert (34) und Tim Klotzek (35) sind in Sachen junge Generation alte Hasen: Zusammen leiteten sie das Jugendmagazin jetzt der "Süddeutschen Zeitung", heute sind sie Chefredakteure des Magazins "Neon". Aus dieser Erfahrung nahmen sie die Perspektiven und Probleme der 20- bis 35-Jährigen jetzt in einem Buch unter die Lupe: "Planen oder treiben lassen?" (Heyne). Es soll all denen helfen, die sich "Gedanken über ihr Leben" machen und dabei oft so ratlos sind wie die Zeitgeistexperten der Medien, die für die Generation der "Krisenkinder" ("Der Spiegel") mittelschwarz sehen.

Hamburger Abendblatt:

Warum ist es denn heute schwieriger als vor 20 Jahren, ein junger Mensch zu sein?

Michael Ebert:

Wenn man damals halbwegs gut ausgebildet von der Uni kam, hat man bei einem großen Unternehmen mit einem unbefristeten Vertrag angefangen. Heute bekommt man nur befristete Verträge - wenn man überhaupt irgendwo unterkommt. Und man schlägt die Zeitung auf, wo Politiker fordern: Ihr müsst jetzt aber mehr Kinder kriegen; eine Seite weiter fordern sie: Ihr müsst beruflich flexibel bleiben; und wieder eine Seite weiter fordern sie: Ihr müsst aber schon in die Rentenkassen einzahlen. Das sind alles so schöne Widersprüche, die es vielen sehr schwer machen, sich auf die Schnelle für irgendetwas zu entscheiden.

Abendblatt:

Die 30-Jährigen sind die erste Generation, die sich von durchgehenden Arbeitsplatzkarrieren verabschieden muss. Egal, wie gut man im Job ist - entscheidend ist die Profitabilität. Angeblich stellen sich die Jungen dem mit einer fatalistischen Gelassenheit. Stimmt das?

Ebert:

Ja, unsere These ist, dass die jungen Erwachsenen genau mit diesem Schulterzucken sagen: Na gut, es ist viel schwieriger geworden als vorher. Aber gleichzeitig haben wir in einer eigenen Umfrage gesehen, dass sie trotzdem optimistisch in die Zukunft sehen, was ihre eigene Karriere oder ihr eigenes Leben betrifft. Sie vertrauen darauf, dass sie sich schon einigermaßen durchwurschteln werden. Die ältere Generation sieht das mit Verwunderung und fragt sich: Sind die so komisch drauf, dass die keinen eindeutigen Weg gehen können? Ich glaube, die Älteren haben noch nicht verstanden, dass es keinen eindeutigen Weg mehr gibt.

Abendblatt:

Jeder kennt "Hotel Mama": Laut Allensbach-Umfrage wohnt jeder Dritte der knapp 25-Jährigen bei den Eltern.

Ebert:

Das kommt ja nicht von ungefähr. Entweder machen es die Eltern ihnen so bequem, oder sie sind so nett zu ihnen, dass sie bleiben wollen.

Abendblatt:

Aber muss es nicht auch elternfreie Zonen geben?

Ebert:

Wir haben schon Geschichten gemacht wie "Hilfe, meine Eltern sind auf Facebook". Es ist nicht so toll, wenn die Eltern mit auf dem Bilderverteiler für Freunde sind.

Abendblatt:

Ist es nicht sowieso schwer, etwas zu finden, das frühere Generationen noch nicht ausprobiert und "besetzt" haben?

Ebert:

Ja, aber das heißt nicht, dass junge Leute heute weniger neugierig sind. Oder weniger politisch. Sie interessieren sich vielleicht eine Runde weniger für sozialistische Theorie oder dafür, was Westerwelle gerade mit Merkel auskaspert. Aber wenn es nach Heiligendamm geht oder um Kohlekraftwerke in Moorburg, dann sind sie auch dabei. Sie machen sich schlau, bauen Webseiten, lesen sich ein, gründen Bürgerforen. Die Zahl der jungen Leute, die sich etwa in der Moorburg-Frage eingeschaltet haben, war gewaltig.

Abendblatt:

Das sind doch eigentlich die Traumwähler.

Ebert:

Ja, das Problem ist nur, dass das politische Berlin ein ziemliches Raumschiff geworden ist.

Abendblatt:

Stichwort Familiengründung: Welche Rolle spielt "der richtige Zeitpunkt" für ein Kind?

Ebert:

Berufliche und finanzielle Unsicherheiten führen auch zu Familienplanungs-Unsicherheiten. Wenn man halbwegs verantwortungsvoll ist, überlegt man sich: Will ich mich schon so fest mit einer Person binden, um Eltern zu werden? Kann ich ein Kind überhaupt ernähren? Die Scheidungszahlen machen auch nicht gerade Mut. Aber die Möglichkeiten sind vielfältiger geworden. Wenn sich mehr Leute später binden, dann besteht längere Zeit eine größere Auswahl, den richtigen Partner zu finden.

Abendblatt:

Christian Ulmen sagt in Ihrem Buch, dass er von Anfang an "unbedingt zum Film" wollte und "so von sich überzeugt und gleichzeitig so naiv" war, dass er es schließlich geschafft hat. Ist das eine häufige Mischung?

Ebert:

Es ist die Beste, finde ich. Er hat das ja sehr charmant erzählt: Es ging ihm gar nicht darum, berühmt zu werden, er wäre auch Cutter geworden. Sondern er wollte einfach "zum Film". Dafür hat er alles Mögliche in Kauf genommen. Die Kunst ist, den Bereich zu finden, in dem man arbeiten will. Was und wo genau, muss man nicht gleich festlegen.

Abendblatt:

Wie fanden Sie die Debatte über die "Generation doof"?

Ebert:

Doof. Ziemlich arrogant und von oben herab. Natürlich gibt es auch Bescheuerte unter den Leuten zwischen 20 und 35, das sind ja nicht alles Nobelpreisträger. Aber waren die Leute von 1968 das?

Abendblatt:

Müssen junge Erwachsene das Scheitern heute häufiger einkalkulieren?

Ebert:

Ich glaube, sie sind weniger schockiert, wenn sie ihren Job verlieren, als Leute vor 20 Jahren. Dann sucht man sich eben einen neuen oder studiert fertig oder kellnert ein halbes Jahr oder macht einen Surf-Shop in Brasilien auf. Scheitern ist auch eine Erfahrung, die einen weiterbringen kann.

Michael Ebert ist Journalist und Koautor des Buches "Planen oder treiben lassen?"