So schnell kommt die Gelegenheit nicht wieder, Ballette in ihrer historischen Form zu erleben wie derzeit bei den Hamburger Ballett-Tagen in der Staatsoper.

Hamburg. Der 100. Geburtstag der Ballets Russes ist Anlass für Entdeckungsreisen, die im Gastspiel des Centre Choréographique National Ballet de Lorraine einen weiteren Höhepunkt fanden.

Mit Begeisterung wurde 1911 Michail Fokines tragikomische Schaubudengeschichte um drei in Leidenschaft einander zugewandter Puppen aufgenommen, in der der traurige Clown Petruschka den Kürzeren zieht im Kampf um die Ballerina. Sie liebt den tumben Mohren. Zu Igor Strawinskys wundervoller Jahrmarktsmusik wird voller Poesie, mit viel Folklore durchmischt, ein Märchen erzählt, das in seiner vollkommenen Einheit aus Tanz, Musik und Dekorationen auch heute entzückt.

Viel revolutionärer dagegen ist Bronislava Nijinskas Choreografie von 1923, "Les Noces", wieder auf Strawinskys Musik. In atemberaubenden Ballungen und chorisch angeordneten, stilisierenden Tanzelementen versinnbildlicht sie die Wucht einer archaischen Hochzeitszeremonie. Es ist ein grandioses, zeitlos gültiges Tanzkunstwerk.

Ob dagegen Tero Saarinens Deutung "Mariage", auf dieselbe Musik, Bestand hat, wird sich weisen. Eine Braut widersetzt sich der Heirat in einer ebenfalls archaisch gefügten Welt, kontrastiert vom Heute. Auch hier dominieren chorisch feierliche Elemente, aufgebrochen durch starke Soli und das sich widerwillig annähernde Brautpaar. Das Ballet de Lorraine erwies sich als tänzerisch starke Compagnie.