Es war der dritte Callcenter-Anruf des Tages. Der Telefondrücker hörte sich süß an, also unterhielt ich mich mit ihm.

Erst als ich Antworten gab wie "nein, ich möchte meine Adresse nicht mitteilen" und "er" liebenswürdig mit "Vielen Dank, dass Sie uns Ihre Adresse mitteilten!" schnurrte, bemerkte ich meine Einfalt, auf Wortgrunzer einer Blechkiste hereingefallen zu sein. Ich habe mich von einem Sprachcomputer aushorchen lassen! Ich: "Ich werde Sie anzeigen, Sie Schwachomat!" - "Wunderbar! Dann werde ich Sie für unsere Verlosung vormerken" - "Das ist Diebstahl von Arbeitsplätzen, ich will mit einem echten Menschen sprechen!" - "Herzlichen Dank für Ihre Teilnahme, ich wünsche Ihnen viel Glück beim Gewinnspiel" - "Blöder Hohlpinsel!" - "Das Gespräch wurde zur Qualitätssicherung aufgezeichnet."

Das hoffe ich doch.

Mein Datensatz scheint sich bei Adresshändlern reger Beliebtheit zu erfreuen. Vielleicht war es die Kreditkarte, die ich mir vor Jahren am Flughafen habe aufschwatzen lassen (der Tresen war strategisch neben der Damentoilette geparkt und eine Frau mit großen traurigen Augen dazu gestellt). Irgendwann wurden die sensiblen Fakten meines Konsumentenlebens für 12 Cents verkloppt, und fremde Leute wollen mir nun seltsame Dinge andrehen. Was für eine Welt, in der es nur darum geht, ans Geld der Mitmenschen zu kommen.

Meinem Vater kann so etwas nicht passieren. Dem passieren andere Sachen. Aber er hinterlässt keine Spuren - weil er keine Karten besitzt. Keine Kredit-, keine EC-, keine Kundenkarte. Er zahlt bar, seit er eigenes Geld verdient; ist die Jupfe leer, wird nichts gekauft, basta. Er findet, ein richtiger Mann sollte richtiges Geld ausgeben und nicht mit Potenzsurrogaten wie metallisch coloriertem Plastik rumwedeln. Das einzige Problem ist, eine Börse ohne Kartenfächer zu bekommen; als ob das Leben auf Kredit eben üblich sei, und ein Portemonnaie ohne Schlitze aus einer verklärten Zeit, als Datenschutz noch seinen Namen verdiente.

Ich beneide ihn. Er zieht das durch, ich muss für jedes Durchziehen der Kreditkarte ans Telefon springen und mich von Blechheinis, die sich süßer als George Clooney anhören, behumsen lassen.

Kartenlose Kaffeetrinker Willkommen: Eröffnung des Elbphilharmonie Kulturcafés Do 16.7., 12.30, Musik mit La KaffehausAvantgarde, 17.00 Werner-Harriehausen-Quartett, Mönckebergstraße/Barkhof 1 (U/S Jungfernstieg), www.elbphilharmonie.de

Nina George schreibt jede Woche in LIVE und liebt Hamburg.