Es mag so rund 15 Jahre her sein, da landete der Madrilener Autor Javier Marías in Deutschlands Buchläden einen Hit: Sein Roman “Mein Herz so weiß“ war monatelang auf den Bestsellerlisten.

Der Autor, der in Madrid eine wunderbare Wohnung auf der Plaza Mayor hatte, für Fußball schwärmte und die grottenschlechtesten Voraussagen für das Abschneiden von (erstens) Real Madrid und (zweitens) der spanischen Nationalelf abgab - Dichter dürfen irren und Irren ist menschlich -, wurde daraufhin von seinem Verlag (es war der Klettverlag in Stuttgart) zu einer Lesereise nach Deutschland eingeladen. Die wurde für den Dichter Javier Marías zu einem Triumph und für den Menschen und Spanier zu einem Desaster.

Javier Marías fiel von Tag zu Tag mehr vom Fleisch, weil weder er mit den deutschen Essgewohnheiten noch sein mit spanischen Bestsellerautoren ungeübter deutscher Verlag eine Reisekatastrophe verhindern konnten.

Abends, nach der Lesung, bekam Marías als echter Spanier Hunger, so gegen elf. Da hatte ihn sein Verlag brav ins Bett zurückgebracht, in Pforzheim, Friedrichshafen, Ulm oder Fürth. Der Dichter sagte "Buenas noches!", die Verlagsleute verabschiedeten sich, Javier Marías blickte um sich, rief "Hunger!", "Hambre!", bekam aber in tiefer deutscher Nacht nichts mehr zu essen. Manchmal fand er in der Minibar ein paar Erdnüsse, Schokoriegel oder Kartoffelchips. Sonst aber nichts! Nada! 14 Tage lang.

Nach der Rückkehr schrieb er einen flammenden Artikel für die Bundesliga und Bayern München (waren das noch Zeiten!) und einen vernichtenden über die deutsche Küche. Das fiel mir jetzt ein, wo ich durch das Weltkulturerbe Andalusiens reise (Cordoba, Granada) und um drei Uhr nachmittags zu früh zum Mittagstisch komme, ganz zu schweigen, wenn ich vor 22 Uhr was essen möchte. Nichts zu machen. Nada de hacer oder so ähnlich. Ich esse also schwer und fett gegen die Uhr, betrachte die Alhambra einsam an einem Tisch um 22 Uhr und bekomme erst um 22.30 Uhr Gesellschaft an anderen Tischen.

Vom Fleisch wie Javier Marías falle ich nicht. Im Gegenteil. Stattdessen habe ich nach einem schweren Kalifendinner um 23.40 Uhr schon geträumt, eine Laudatio auf einen pensionierten Musikkritiker aus dem Stegreif mit vollem Magen halten zu müssen. Das war vielleicht furchtbar. Lieber würde ich dünn werden und auf mehrere Weltkulturerbe-Ansprüche verzichten. Die Dresdner sollten später essen und schwerer träumen! Vielleicht hülfe das!

Hülfe! - das schreibt man nur mit einem Ochsenschwanz um 24 Uhr im Magen.