Die Kommissarin lebt im Ruhestand. “Vorsehung“ ist der Titel ihres 28. Falls, den Regisseur Max Färberböck verfilmt.

Hamburg. An diesem Morgen ist um neun Uhr Drehbeginn für "Bella Block" am Hamburger Flughafen. Einsam steht Regisseur Max Färberböck am Terminal 2. Er wartet eine Viertelstunde. Niemand von seinem knapp 20-köpfigen Team ist zu sehen. Keine Kamera, keine Schauspieler, keine Komparsen. Die allerdings würde man sowieso nicht erkennen, weil sie ja wie normale Fluggäste aussehen sollen. "Das war ein typisches Missverständnis" sagt Max Färberböck später lachend, "ich hab am falschen Terminal gewartet. Shit happens."

Der Regisseur, der zuletzt bei dem Kinofilm "Anonyma" täglich neue Logistikprogramme für Hunderte von Mitarbeitern, Technikern, Schauspielern und Komparsen entwerfen musste, der dann noch einmal sieben Monate am Schnitt saß, arbeitet nun ganz gelassen mit seiner Mannschaft. "Ich habe mich zweieinhalb Jahre nur mit einem Thema beschäftigt, mit 'Anonyma'", sagt er, "ich liebe es, große Massen zu bewegen und Ordnung ins Chaos zu bringen. Aber es ist schön, dass ich jetzt wieder mit Bella arbeiten kann. Alles ist überschaubar." Färberböck hat vor 15 Jahren die ersten beiden aus der langen Reihe der erfolgreichen "Bella Block"-Fernsehfilme gedreht. Nun hat er sichtlich Spaß daran, auch den ersten Film zu drehen, bei dem die Kommissarin im Ruhestand ist. Folge 28 mit dem Titel "Vorsehung" soll kein Ermittlungsdrama, sondern ein Thriller werden. Spannend vom Anfang bis zum Ende.

Am Flughafen zu drehen erfordert minutiöse Vorarbeit, für die in diesem Fall die Ufa-Fernsehproduktion alles Erdenkliche geleistet hat. Es gibt Sicherheitsbestimmungen zu beachten, der reibungslose Flughafenbetrieb darf nicht beeinträchtigt werden. Man muss Genehmigungen beim Flughafen, beim Zoll und bei der Polizei beantragen. Und die Auflagen dann akribisch einhalten, was Uhrzeiten, Orte und mitgebrachte Technik anlangt. Inmitten der Reisenden, die gescannt werden, die Reihen 7 und 15 für Komparsen frei zu bekommen erweist sich vor Ort als unkompliziert. Zwei Takes benötigt das Team für jede Szene, das ist sehr wenig. Inzwischen werden aber wohl Regisseure, die mehr brauchen, nicht mehr gerne engagiert. Dreharbeiten sind heutzutage in ein enges Zeitkorsett gepresst. Lange vorbei ist die goldene Ära des Films, in der etwa ein Regisseur wie William Wyler den Spitznamen "40-Schuss-Willie" bekam, weil er jede Einstellung bis zu 40-mal aus jeder nur erdenklichen Perspektive drehte. Oder Marilyn Monroe, die in Billy Wilders "Manche mögen's heiß" 56 Takes brauchte, bis sie eine Szene, bei der sie "Wo ist der Whisky?" sagen musste, richtig draufhatte.

Färberböck kennt die Zwänge genau, die inzwischen in jedes Stadium der Filmherstellung eingegriffen haben. "Alles muss schnell gehen, in kurzer Zeit fertig werden. Überstunden kann niemand mehr bezahlen. Das fängt bei den Drehbüchern an, geht über die Suche nach Drehorten, die Anmietung von Lastwagen, die die Dekoration oder Technik anfahren, über die Stunden, in denen man mit dem Team arbeiten kann. Um dem zu entsprechen, wird ein Stoff weniger episch breit erzählt. Man guckt nicht mehr so intensiv ins Innere einer Figur, erzählt an der Oberfläche, kommt schnell auf den Punkt. Man hat weniger Drehtage, weniger Arbeitsstunden. Das Problem, das dadurch entsteht, trifft vor allem die Schauspieler. Sie haben keine Zeit mehr, ihre Rollen zu entwickeln. Was man heute beim zweiten Take nicht gezeigt hat, das ist eben nicht drin in der Figur."

Schauspieler müssen praktisch in der Sekunde alle Emotionen wie auf Knopfdruck abliefern. Nur wer bereits bewiesen hat, dass er das kann, wird dann gerne wieder engagiert.

"Wenn ein Schauspieler eine andere Vorstellung von der Figur hat als der Regisseur, gibt es kaum einen Weg, zusammenzukommen. Man einigt sich schnell auf die Mitte. Geweint wird dann da, wo es traurig ist, und gelacht dort, wo es lustig ist. Dass Menschen oft ambivalent, widersprüchlich oder grotesk sind und dadurch auch spannender, das wird einfach gestrichen", sagt Färberböck. Aber, und das sagt der Regisseur auch, "es ist nicht so, dass der gesamte Idealismus aus der Film- und Fernsehbranche verschwunden ist. Man kann sich diese Freiräume schaffen. Jeder beim Film möchte etwas zeigen, was man so vorher noch nicht gesehen hat. Das gehört mit zur Obsession dieses Berufes."

Wie geht es konkret weiter mit Bella Block? "Bella wird nie wieder sein, was sie mal war", hatte es im Januar nach den letzten zwei "Bella Block"-Filmen geheißen, die dem ZDF noch einmal eine üppige Quote von rund sieben Millionen Zuschauern gebracht hatten. Denn an ihrem Ende war Bella in Pension gegangen. Zugleich hatte Max Färberböck den Auftrag erhalten, sich zu dieser Bella im Ruhestand etwas einfallen zu lassen.

"Bella beim Wechsel ins Privatleben - das war schon meine ganze Prämisse", sagt Färberböck. Nichts sollte aus alten "Bella Block"-Filmen übernommen werden. "Ich habe auch nur vier oder fünf davon gesehen." Selbst Bellas Ex-Adlatus Jan Martensen (Devid Striesow) wird nur wenige kurze Auftritte in dem Film haben, dessen Sendetermin noch offen ist.

Für den ersten seiner "Bella Block"-Filme war Max Färberböck 13 000 Kilometer durch Schleswig-Holstein gefahren, auf der Suche nach passenden Drehmotiven und -orten. "Ich war völlig verzweifelt und wollte Produzentin Katharina Trebitsch gerade anrufen und alles absagen. Aber die Telefonzelle war kaputt. Nebenan stand dann plötzlich ein Haus, in dem wir 70 Prozent der Szenen drehen konnten."

Diesmal war alles viel leichter. "Das Buch habe ich mit meinem Koautor Fabian Thaesler ziemlich schnell geschrieben. Für Bella ist jetzt alles anders. Sie hat Zeit, braucht keinen Job, nicht mal einen Mann", sagt der Regisseur. Seine Filme entstehen aus Bildern, die Themen folgen daraus. "Ich hab zuerst eine Bella vor mir gesehen, der es blendend geht. Das zweite Bild war eine Ausstellung. Diese Ausstellung ist beunruhigend. Dort sieht sie eine Statue, die von einem Mann gemacht worden ist, den sie für eine Zeitbombe hält. Es gibt keinerlei Hinweise auf eine konkrete Gefahr. Aber die Menschen sind zunehmend angstbesessen. Der Film spielt mit Einbildung und Wahrheit. Er ist bis zum Ende in keinem Moment eindeutig. Dahinter steckt auch die Frage, ob ein Mensch sich ändern kann."

Zweifellos eine spannende Ausgangssituation für einen Thriller. Und wie konstruiert man Spannung filmisch? "Etwa indem man eine Frau im Hellen sitzen lässt und davor ist es dunkel. Aus dem Dunkel kommt die Angst", sagt Färberböck. "Oder eine Spielzeugfigur steht plötzlich da, wo sie vorher nicht war. Es ist ganz simpel, aber es funktioniert. Ich will in diesem Film mit dem arbeiten, was das Leben an Ängsten bereithält."