Weil die Waldschlösschenbrücke kompromisslos gebaut wird, machte die Unesco gestern ihre Drohung wahr und strich Dresden das Weltkulturerbe.

Hamburg. Nach stundenlanger Beratung, die seit Montag immer wieder verschoben worden war, hat das Welterbekomitee der Unesco gestern Nachmittag beschlossen, das Dresdner Elbtal von der Liste des Weltkulturerbes zu streichen. Das Votum fiel mit 14 Ja-, fünf Nein- und zwei ungültigen Stimmen deutlich aus. Die Titel-Aberkennung für eine Kulturstätte ist ein bislang einmaliger Vorgang. Dennoch kam die Entscheidung nicht überraschend. Bereits 2006 hatte die Unesco erklärt, dass sich der Bau der Waldschlösschenbrücke nicht mit dem Welterbetitel vereinbaren lasse. Noch im selben Jahr setzte die Kulturorganisation das Elbtal auf die Rote Liste der gefährdeten Stätten.

Doch der Freistaat Sachsen und die Stadt Dresden trieben die Planung unbeirrt voran und gewannen auch alle juristischen Auseinandersetzungen, sodass am 19. November 2007 die Bauarbeiten begannen. Dabei beriefen sich die politisch Verantwortlichen auf einen Bürgerentscheid, bei dem sich 2005 eine Mehrheit der Dresdner für das Bauprojekt entschieden hatte. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar, dass der Bau wahrscheinlich die Aberkennung des Titels zur Folge haben würde. Auch eine mögliche Tunnellösung, für deren Realisierung sich zum Beispiel der Hamburger Architekt Volkwin Marg vom Büro gmp in einem "Offenen Brief" an die Stadtverwaltung ausgesprochen hatte, war nicht Gegenstand dieses Bürgerentscheids.

Seit vier Jahren wird die Auseinandersetzung um die Waldschlösschenbrücke in Dresden immer unerbittlicher geführt. Während die Gegner, zu denen nicht nur Umweltschützer, sondern auch große Teile der Kulturszene zu rechnen sind, alle juristischen Möglichkeiten ausnutzten und zahlreiche spektakuläre Protestaktionen initiiert haben, sehen die Befürworter in der Haltung der Unesco eine unangemessene Bevormundung, die dem erklärten Bürgerwillen zuwiderlaufe.

Schon im Vorfeld der Entscheidung haben viele Brückenbefürworter klar gemacht, dass ihnen am Welterbetitel längst nicht mehr gelegen ist. Die Unesco gilt ihnen als Feindbild, den Titel betrachten sie als wertlos. In der für einen nicht geringen Teil der Dresdner Bevölkerung typischen Mischung aus konservativer Kulturbeflissenheit, Lokalpatriotismus und ahnungsloser Provinzialität pfeifen sie auf die Meinung der Welt und berauschen sich an der Schönheit von Zwinger, Frauenkirche und Semperoper.

Einem ebenfalls großen Teil der Bevölkerung fällt es dagegen schwer, die in der Tat demokratisch legitimierte Zerstörung eines Teils ihrer Kulturlandschaft hinzunehmen. Auch wenn Dresdens Bürgermeisterin Helma Orosz (CDU) in Sevilla gestern erneut davon schwärmte, die Brücke sei "Teil einer neuen Bildkomposition, die nicht stören wird", lässt sich nicht leugnen, dass hier eine wunderschöne, in Jahrhunderten gewachsene und bewahrte Sichtbeziehung zerschnitten und zerstört wird.

Es geht um eine Perspektive, die Maler seit mehr als 200 Jahren immer wieder angeregt hat, die Dichter wie Friedrich Schlegel, Karl August Varnhagen von Ense, Friedrich Schiller und Erich Kästner rühmten und die unzähligen Menschen und sei es nur beim täglichen Vorüberfahren im Auto oder der Straßenbahn tief in sich aufgenommen haben. Als der Bildhauer Ernst Rietschel 1814 zum ersten Mal nach Dresden kam und am Waldschlösschen sah, wie wunderbar sich hier der Blick zur Stadt im Tal öffnete, schwärmte er: "... der im Morgenlicht glänzende Strom, daran die im Dufte schimmernde Stadt mit ihren Türmen".

Heute dröhnt an derselben Stelle der Lärm von Baufahrzeugen und schon bald wird ein Betonbogen diesen einzigartigen Blick versperren.