Dem Knaus-Verlag sei Dank, dass er eine wunderbare Autorin des 20. Jahrhunderts, die amerikanische Erzählerin Willa Cather, in neuen Übersetzungen wieder zu entdecken hilft.

Hamburg. - Die 1876 geborene und 1947 verstorbene Schriftstellerin verbrachte ihre Kindheit in Nebraska, jenem Landstrich in der Mitte Amerikas, den Immigranten vor allem aus Europa besiedelten. Vom harten Leben in den unendlichen Weiten der Prärie erzählt Cather in ihrem Roman "Meine Antonia" (1918), der in diesem Frühjahr neu herauskam. Jetzt ist ihr Roman "Mein ärgster Feind" (1926) erschienen, der seinen Ausgangspunkt in Illinois nimmt, aber dann schnell an die Ostküste nach New York führt, wo Willa Cather mehr als vier Jahrzehnte ihres Lebens verbracht hat.

Der 112 Seiten kurze Roman erzählt in zwei Teilen die Geschichte einer Liebe, die aufregend beginnt und düster endet. Interessant ist die Perspektive, die Willa Cather wählte, indem sie ein junges Mädchen, Nellie, als Ich-Erzählerin auf Beobachtungsposten schickt. Voller Bewunderung und romantischer Flausen im Kopf begegnet die 15-Jährige dem Ehepaar Myra und Oswald Henshawe, deren Mut und Ungewöhnlichkeit immer wieder Anlass für Familiengeschichten war. Die junge Myra nämlich hatte ein beträchtliches Erbe ausgeschlagen und den mittellosen Oswald geheiratet: in den Augen Nellies ein Komplott der Liebe, die Liebe demnach eine Himmelsmacht. Als sie später mit ihrer Tante Lydia nach New York reist, um das bewunderte Ehepaar zu besuchen, muss sie erste Risse im Liebesglück registrieren.

Zweiter Teil, viele Jahre später: Nellie hat es, völlig verarmt, an die Westküste verschlagen, wo sie an einem College unterrichtet und in einer erbärmlichen Pension Unterkunft gefunden hat. Hier trifft sie auf das einstmals bewunderte Paar, ebenso arm wie sie selbst, Myra ist schwer erkrankt, und Oswald geht einer schlecht bezahlten Arbeit nach. Als Myra im Sterben liegt, hört Nellie ihre Klage: "Warum muss ich so sterben, allein mit meinem ärgsten Feind!" Es wird noch einmal Jahre dauern, bis Nellie endlich begreift, dass Myra niemand anderen als sich selbst meint.

Und so handelt dieser Roman nicht nur von Desillusionierung, sondern er ist zugleich eine Geschichte des Erwachsenwerdens. Dazu gehört auch, die Bedingungen des Lebens zu erkennen und die eigene Begrenztheit. Schnörkellos und auf das Wesentliche konzentriert, in einer eleganten und präzisen Sprache zeichnet Willa Cather ein Bild menschlichen Daseins, in dem das Glück als Schimäre erscheint.

Willa-Cather-Abend mit Manuela Reichart und Leslie Malton, heute, 20 Uhr, Literaturhaus, Eintritt 10/8/6 Euro