“Als sie zum ersten Mal vor Doktor Josef stand, als Zwölfjährige, nackt, spürte sie sein Entzücken“, heißt es im Roman “Doktor Josefs Schönste“ der Psychotherapeutin Zyta Rudzka.

Der geschmäcklerische Lagerarzt hatte die kleine Czechna sofort ins Visier genommen zwischen allen, die ihm zur Selektion vorgeführt wurden. Während er sie dutzendweise mit einer Handbewegung in den Tod schickte, berührte er das Mädchen mit seiner Reitgerte, war befriedigt, dass es nicht weinte, begutachtete es von allen Seiten. "Er war zufrieden. Ein geballtes Vergnügen, das man ihm hier geliefert hatte." Er "salbte sie zu Forschungsmaterial". Noch als Greisin im Altenheim wird sie allen sagen, dass sie den Holocaust überlebte, weil sie Miss Auschwitz war.

Die 44-jährige polnische Autorin erzählt die Geschichte des Lageraufenthalts des schönen Mädchens in Rückblenden aus der Perspektive der alten Frau. Inmitten von verrutschten Perücken und Gehgestellen, von Inkontinenz und würdelosem Umgang des Personals mit den Alten verbringt die stolze Frau ihre Tage in der ihr eigenen Würde, die in der Lagererfahrung gründet. Was als Idee für einen Roman makaber anmutet, wird schnell verständlich, weil es so ungewöhnlich war. Neben Czechna gingen Tausende ins Gas, sie nicht. "Ich brauche Ihnen nicht zu schmeicheln", sagt ein Altenheiminsasse. "Sie wissen selbst, dass Sie in Ihrer Klasse eine Superpuppe sind." Und sie antwortet: "Manchmal denke ich an diese Frauen im Lager. Rasiert. Schorfverkrustet. So mager, dass sie keine Brüste mehr hatten. Erstickt. Wie sie mit ihren halb geborenen toten Kindern aus der Gaskammer geschleift wurden. Und ein paar Backfische, die sich beim Spaziergang in den Kamin an der Hand hielten."

64 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg kommen Bücher über und von Überlebenden in den Handel, die überraschen mit ihrer analytischen Kälte und ihrem Überlebenswitz. Frau Czechna hat überlebt. Obwohl ihr Gedächtnis nachlässt und ihr Körper erschreckend schnell verfällt, zehrt sie davon. Der Uringestank, das sinnlose Geplapper der Dementen und die Keifereien der Alten, die wieder zu Kindern werden, sind nur eine Folie, vor der sie ihre zerfallende Schönheit hütet. Doktor Josef befahl ihr, sich auf den Seziertisch zu legen, lachte sie aus, weidete sich an seiner Allmacht, brachte sie aber nicht um. "Frau Czechna", sagt ein Verehrer, "Sie wirken wie Wodka bei mir. Man will leben und überhaupt." Nach jedem Tod im Altenheim steht sie für das Leben.

Auch das Buch der Rumänin Ana Novac, die als 14-jährige Jüdin nach Auschwitz deportiert wurde, löst natürlich Erschütterung aus. Ein Tagebuch, entstanden auf Papierresten, verfasst mit von Wärtern weggeworfenen Bleistiftstummeln. Das einzige Tagebuch, das Auschwitz überlebt hat. Es erschien zunächst in Ungarn und Frankreich, wo die Autorin heute lebt. Acht KZ hat sie hinter sich, hat dort aber auch gelacht, ihre Haut mit Margarine gepflegt und den kahlen Schädel mit einem Tuch geschmückt. Sie erzählt von Lyrikabenden und spiritistischen Sitzungen in den Baracken, von Betrügereien und Grausamkeiten von Häftlingen an Häftlingen, davon, dass der Lagerinsasse nur noch ein "leidendes Ding" ist.

Nur weil Ana Novac noch ein Kind war, konnte sie ihre Erlebnisse so sarkastisch und unverstellt aufschreiben. Sie versteckte ihre Zettel in der Pritsche und den Schuhen, weil sie ahnte, dass diese authentischen Aufzeichnungen für kommende Generationen wichtig sein würden. "Es sei denn, unsere Geschichte bleibt ohne Zeugen wie ein Loch in der Zeit", schreibt sie. Dieses Buch zeigt Auschwitz von einer unschuldigen Kinderhand protokolliert. So lässt sich das Unbegreifliche wenigstens annähernd fassen.

Zyta Rudzka: "Doktor Josefs Schönste" , Ammann, 316 Seiten, 21,95 Euro.

Ana Novac: "Die schönsten Tage meiner Jugend" , Schöffling, 320 Seiten, 22,90 Euro