In der Provinz kennt “Tatort“-Kommissar Axel Prahl sich aus - da kommt er her. Vielleicht passt er auch deshalb so gut nach Dithmarschen, in den neuen Lars-Jessen-Film “Die Schimmelreiter“, eine kleine Hommage ans platte Land.

Hamburg. Fragt man Axel Prahl nach den Segnungen der Provinz, fällt ihm erst mal eine "Morgens um halb drei"-Geschichte ein. Axel Prahl kann diverse "Morgens um halb drei"-Geschichten. Das bringt der Beruf so mit sich. Einmal zum Beispiel, erzählt er und lacht schon, bevor es so richtig losgeht, ein rauchiges, leicht kratziges Axel-Prahl-Lachen, einmal, da hat er in einer Wohnsiedlung einen Opel Admiral zerlegt. "Morgens um halb drei!" Für einen Kurzfilm. "Mit der Eisenstange!" Zufriedenes Grinsen. "Das ist das Schöne beim Film, dass man Dinge machen kann, für die man normalerweise hinter Schloss und Riegel gehört."

Axel Prahl ist - auf unanstrengende, unaufdringliche Art - ein vergnügtes Kerlchen. Bisschen zu dick, bisschen zu klein, bisschen zu viele Zigaretten. Blitzwache, hellblaue Augen im knautschigen, leicht geröteten Gesicht. Will sofort geduzt werden. Kein aufgesetztes Ranschmeißer-Du, eher ein solides Handwerker-Du. "Tach. Axel."

Die Anwohner fanden die Autozertrümmerung zu nachtschlafender Zeit naturgemäß nicht so lustig. "Aber Spaß gemacht", kniggert Prahl und wedelt entspannt mit der nächsten Zigarette, "Spaß gemacht hat's natürlich erst recht." An anderer Stelle gab es da mehr Verständnis für die unorthodoxen Beschäftigungszeiten. Bei den Dreharbeiten für "Die Schimmelreiter", den neuen Kinofilm von "Dorfpunks"-Regisseur Lars Jessen, offenbarte sich das ebenso herzensgute wie stoische Gemüt der Eingeborenen: "Als wir vom Nachtdreh ins Hotel nach Meldorf zurückkamen, morgens um halb drei, standen da echt noch der Gastwirt und seine Frau und haben uns ein schönes Feierabendbier gezapft. In Berlin oder Hamburg oder Köln gibt's immer nur Minibar." Punkt für Dithmarschen.

Zug an der Zigarette. "Und neulich!", fällt ihm ein, beim Auswärtsdreh für den Münsteraner "Tatort", einen der quotenstärksten der Reihe übrigens, für den Axel Prahl seit 2002 als Kommissar Thiel neben Jan-Josef Liefers unterwegs ist, neulich also habe halb Billerbeck mitten in der Nacht auf dem Marktplatz zugeschaut. "Morgens um halb drei", wiederholt Axel Prahl zufrieden. "Das haste nur in Billerbeck."

Ja, mit der Provinz kennt Axel Prahl sich aus. Da kommt er her. Und vielleicht hat er, der Sohn einer Verkäuferin und eines Obermaats, es auch deshalb lieber, "Schauspielhandwerker" statt Schauspieler genannt zu werden. Klingt bodenständiger. Mehr nach Arbeit, weniger nach Spiel.

"Du trägst dein Dorf immer mit dir rum", heißt es ganz treffend in Rocko Schamonis "Dorfpunks". Und Prahl, 1960 in Eutin geboren und im ostholsteinischen Neustadt groß geworden, glaubt sogar, dass die Provinz ein unverzichtbarer Quell der Kreativität ist. Zwangsläufig. "Es entsteht ja ganz viel Kreativität aus Langeweile. Ich behaupte sogar: Die meisten hellen Köpfe kommen aus der Provinz, weil sie nur da die Zeit haben, in die Tiefe zu gehen." Oder einen lakonischen Proletarier-Charme zu entwickeln, wie ihn Axel Prahl geradezu perfektioniert hat, so sehr, dass man glaubt, er sei Westfale, wenn er in Münster spielt, Ostberliner, wenn er mit seinem Leib-und-Magen-Regisseur Andreas Dresen dreht, und Dithmarschener, wenn er in "Die Schimmelreiter" mit Thalia-Schauspieler Peter Jordan auf Lebensmittelkontrolle durchs Flachland gondelt. Heldenrollen sehen anders aus. Prahl ist der Spezialist für den kleinen Mann.

Und er hat ein Motto. Einen Leitspruch, der den Dingen ihre Relation zuweist. "Ich weiß nicht, was für morgen bleibt, ich weiß nur mehr als gestern." Demut steckt in diesem Satz, Lakonie, auch Leichtsinn, von allem etwas. Pragmatismus vielleicht vor allem. "Scheitern ist etwas für Menschen, die neue Wege gehen wollen", findet Axel Prahl. Und man glaubt ihm, denn seine Lebensgeschichte ist auch eine des Scheiterns. Hauptschule, Realschule, wieder Hauptschule, Berufsfachschule, Fachgymnasium, schließlich Abitur. Dann Bierkutscher, Gleisbauer, Straßenmusikant. Eine Biografie, die ihren Reiz in der Rückschau entfaltet. "Manchmal war's auch 'ne Scheißzeit", gibt Axel Prahl zu. Aber die Umwege sind der Fundus, aus dem er heute schöpft. Als Mensch sowieso. Als Schauspieler erst recht. "Auf Umwegen lernt man die Landschaft kennen", hat es der Autohändler Willenbrock, den Prahl für den gleichnamigen Kinofilm von Andreas Dresen gespielt hat, treffend formuliert.

Auch als Theaterschauspieler hat Prahl die Landschaft kennengelernt. Erst ging es auf Tournee durch die Stadthallen, anschließend sechs Jahre an die Landesbühne Schleswig-Holstein. Abstecher abreißen. Wieder quer durch die Provinz. "Einmal haben wir in Meldorf im Lokal 'Zur Erheiterung' gespielt. Das war so klein, dass die Hälfte des Bühnenbildes nicht aufgebaut werden konnte." Im Tourbus haben sie Karten gekloppt, zu den Ensemblekollegen von damals hat er immer noch Kontakt.

Wenn er jetzt mal ehrlich sein soll, sagt Axel Prahl und senkt die Stimme etwas, damit die Tischnachbarn im Café nicht mithören, dann könne er auch gut leben ohne das dauernde "Hallo, Herr Kommissar", das ihm die Leute mittlerweile auf der Straße hinterherrufen. Die Wertschätzung seiner Arbeit freut ihn. "'Türlich." Bloß berühmt sein liegt ihm halt nicht so.

"Ich arbeite lieber aus dem Keller heraus", hat er mal gesagt. Was schwieriger geworden ist, seit er mit seinen Filmen reihenweise Auszeichnungen gewinnt: die Grimme-Preise für "Die Polizistin" und "Die Hoffnung stirbt zuletzt", der Bayerische Filmpreis für "Halbe Treppe", der Preis der deutschen Filmkritik für "Willenbrock". Und seit dem "Tatort" natürlich erst recht.

Vier "Tatorte", zwei mal zwei pro Jahr, sind vertraglich noch vereinbart. Und dann? "Dann mal gucken", sagt Axel Prahl und versucht ein undurchdringliches Gesicht zu machen. Seine Oma aus Ostholstein, die in diesem Jahr 90 wurde, hat ihm da einen guten Rat gegeben: "Willst du was gelten, mach dich selten."