Bis drei Wochen vor ihrem Tod stand Monica Bleibtreu auf der Bühne. Nachruf auf eine Schauspielerin, die alles sein wollte, nur nicht angepasst.

Wer sie Ende April noch auf der Bühne des St.-Pauli-Theaters sah, ausdrucksstark, leidenschaftlich und diszipliniert in der Rolle des Ulrich Bunzel, der ahnte nicht, dass es ihr letzter Auftritt sein würde. Monica Bleibtreu spielte die "Nachtgespräche mit meinem Kühlschrank" mit einer Kraft, die nichts von ihrem schweren Leiden andeutete.

Knapp zwei Wochen nach ihrem 65. Geburtstag am 4. Mai ist die Schauspielerin Monica Bleibtreu in der Nacht zum Donnerstag in Hamburg gestorben. Sie erlag einem langjährigen Krebsleiden, von dem selbst enge Freunde und Kollegen glaubten, sie habe es überwunden.

Monica Bleibtreu war eine der ganz Großen ihres Fachs. "Es ist ihr gelungen, mit ganz wenigen Mitteln ganz große Wirkung zu erzielen", sagte Regisseur Heinrich Breloer, für den sie in den "Manns" Katia Mann verkörperte. 40 Jahre lang war sie an renommierten Theatern, bei Film und Fernsehen engagiert. Aber erst in den vergangenen 15 Jahren ist ihr der verdiente Ruhm in einer späten Karriere zuteil geworden. Ein einzigartiges Alterswerk, das aus mehr als 50 Filmen und vielen Rollen in Serien bestand. Es ging ihr nie um Ideologie, sondern immer um den verletzbaren Menschen. Sie verzichtete lieber auf eine Rolle, als dass sie ihre künstlerische Glaubwürdigkeit beschädigte. Als Künstlerin galt sie als kollegial, professionell, uneitel und couragiert. "Klar, bescheiden, präzise, meinungsfreudig und sehr tolerant" nannte sie Regisseur Horst Königstein. Für Axel Schneider, Intendant der Kammerspiele, war sie ein "verlässlicher Schauspielertyp der alten Schule".

Junge Schauspieler sahen sie als Vorbild, denn neben ihrem großen Talent für knorrige, herrische, leidende Heldinnen, für starke Frauen und Charaktere, die alles, nur nicht gefällig und angepasst waren, war sie auch mutig, eloquent, humorvoll und schlagfertig. Eine "introvertierte Rampensau" nannte sie der schwärmende Kollege Werner Burkhardt von der "Süddeutschen Zeitung". Auch privat war Monica Bleibtreu eine starke, couragierte Frau. Ihren Sohn Moritz, dessen Vater Hans Brenner mit Ruth Drexel verbandelt war, zog sie völlig allein groß.

Monica Bleibtreu war die Helene Weigel in "Abschied - Brechts letzter Sommer", sie gab eine brummige Bäuerin in "Verlorenes Land" und eine 80-jährige, Furcht einflößende Klavierlehrerin in "Vier Minuten". Sie war eine große Verwandlungskünstlerin. Es ging ihr immer mehr um das, was sie an einer Figur verkörpern wollte, als darum, wie sie dabei aussah. Sie spielte Hexen, Männer, Greisinnen, unerbittliche Schachteln, denen sich das Leben selten von seiner freundlichen Seite gezeigt hat, aber auch freundliche Schrullen und liebe Gesellinnen. Allein wie Bleibtreu sie darstellte - indem sie Ruhe in deren Chaos brachte, indem sie wusste, dass sich im Unscheinbaren oft die entscheidenden Momente des Lebens offenbaren -, schien sie sie ein wenig mit ihrer Existenz zu versöhnen. Der raue Ton, das Schroffe, Kratzbürstige oder Burschikose, das sie ihren Figuren gelegentlich mitgab, war immer nur der Panzer, der sie vor Verletzungen schützen sollte. Und man entdeckte, wie viel Kraft es ihre Figuren kostete, die Selbstbeherrschung dieser starken Frauen aufrechterhalten zu müssen.

2005 hatte sie sich für den Film "Marias letzte Reise", in dem sie eine Frau spielt, die an Krebs erkrankt ist und auf eine weitere Chemotherapie verzichtet, alle Haare abschneiden lassen. Und war dann auch privat mit ihrem raspelkurz gestutzten Kopf herumgelaufen, obwohl ihr Maskenbildner die schönsten Perücken angeboten hatten. Dass sie direkt danach selbst schwer an Krebs erkrankte, war ein Schicksalsschlag, wie man ihn sich böser nicht hätte ausdenken können. Doch auch nach einer Therapie arbeitete sie mit großem Eifer weiter. In einer ihrer letzten Rollen, in der Verfilmung von Andrea Maria Schenkels Bestseller "Tannöd", wird sie im Herbst im Kino zu sehen sein.

Heute kennt man den Namen Bleibtreu auch wegen ihres Sohns Moritz. Er ist einer der vielseitigsten und coolsten deutschen Schauspieler. Aber der Name Bleibtreu hat im deutschsprachigen Theaterbetrieb eine lange Tradition. Hedwig Bleibtreu war um die Wende des vergangenen Jahrhunderts in Berlin und Wien ein gefeierter Theaterstar. Monica, 1944 in Wien geboren, ist ihre Großnichte. Großmutter Maximiliane wurde in Dresden an der Bühne gefeiert. Monica Bleibtreus Eltern hatten in Wien ein Theater, in dem die Tochter schon als Kind Karten abriss. Ihre Ausbildung bekam sie am renommierten Max-Reinhardt-Seminar. "Ich kam mir damals unheimlich hässlich vor", hat Monica einmal gesagt (was definitiv nicht stimmte), "und ich habe mich dann dazu entschlossen, all die anderen Frauen zu spielen." 40 Jahre lang hat sie Großartiges aus all diesen Menschen gemacht. "Ich habe lange nicht gewusst, was ich vom Leben will, und es erst spät herausgefunden", sagte sie. "Mein Sohn Moritz hat mir dazu verholfen."

Am Theater, davon ein Vierteljahrhundert in Hamburg, galt sie als uneitel, aber kompliziert. Als sie sich vom Schauspielhaus trennte, nutzte sie die neue Freiheit zum Anschub für eine große Film- und Fernsehkarriere. So hatten noch viel mehr Menschen Gelegenheit, diese kraft- und liebevolle Menschenspielerin zu beobachten und zu bewundern. "Filmschauspieler", hat Monica Bleitreu gesagt, "waren für uns Theaterleute früher diejenigen Kollegen, die ihren Beruf nicht wirklich konnten." Sie hat das Gegenteil bewiesen. Mit jeder Rolle.