"Tagesschau" Alte Filmrollen vom Verfall bedroht

Das Gedächtnis der Republik

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Sophia-Caroline Kosel

In Halle werden Sendungen aus den Jahren 1955 bis 1972 digitalisiert und archiviert.

Halle/Saale. "da-da-dadadada!" Wer kennt die Melodie der "Tagesschau" nicht. Die Nachrichtensendung der ARD ist sozusagen das Gedächtnis der Bundesrepublik, ihr Archiv. Um dieses Gedächtnis zu retten, sollen die "Tagesschau"-Sendungen aus den Jahren 1955 bis 1972 bis zum Ende dieses Jahrzehnts per Digitalisierung vor dem Zerfall gerettet werden. "Nicht optimale Lagerbedingungen haben die teils mehr als 50 Jahre alten Filme angegriffen", sagt Patrik Albus, Geschäftsführer der DREFA Media Service GmbH in Halle. Dort sichert das Tochterunternehmen des Mitteldeutschen Rundfunks seit 2006 die Nachrichtenbeiträge ohne die Moderationen. Einige Tausend Minuten der 1500 Stunden sind bisher von den 14 Mitarbeitern digitalisiert worden. Bis 2010 soll die Arbeit abgeschlossen sein.

"Die Filme müssten eigentlich in einer Spezialkammer mit Minustemperaturen gelagert werden", sagt Albus. Solche Spezialräume hätten aber weder die ARD-Anstalten noch das ZDF. Daher haben chemische Prozesse dem wertvollen Material zugesetzt. "Viele Filme sind essigsäureverseucht, es entstehen gefährliche Dämpfe." Vor der Digitalisierung müssen sie daher aus den Blechbüchsen herausgenommen und in Plastiktüten gesteckt werden, wo sogenannte Molekularsiebe die gefährlichen Dämpfe binden. Erst ein halbes Jahr später kann dann die eigentliche Filmsicherung beginnen.

Einige Schritte sind nötig, um die Beiträge der ältesten Nachrichtensendung im deutschen Fernsehen für die Nachwelt zu erhalten: Zunächst werden die Filmrollen mit Ethanol gereinigt und die Klebestellen so korrigiert, dass der Abtaster nicht hängen bleibt, über den sie dann laufen und auf eine Festplatte überspielt werden. Die farbigen "Tagesschau"-Beiträge, die von Ende der 60er -Jahre an entstanden, werden am Computer nachbearbeitet, wenn sie etwa im Lauf der Zeit rotstichig geworden sind.

"Es ist reines Handwerk, keine Kunst", sagt Peter Zenk, Leiter der DREFA-Digitalisierung. "Ab und zu entdecken wir auch Beiträge, die laut dem stets beiliegenden Zettel gar nicht auf der Filmrolle drauf sein dürften." Andere Beiträge wiederum fehlen, weil sie zum Beispiel für die "Wochenschau" herausgeschnitten wurden.

Das Team kann bei der aufwendigen Arbeit auch mitverfolgen, wie sich die "Tagesschau" im Laufe der Zeit entwickelt hat. "Am Anfang gab es sehr wenige Beiträge, dafür waren diese lang", sagt der Geschäftsführer. Zwischen 1955 und 1957 etwa habe ein Beitrag durchschnittlich zwölf Minuten gedauert, zwischen 1962 und 1963 nur noch sechs Minuten. Von Cay Dietrich Voss über Dieter von Sallwitz, Karl-Heinz Köpcke, Werner Veigel und Wilhelm Wieben bis zu Karl Fleischer: Zwölf Sprecher haben die Ära zwischen 1955 und 1972 geprägt, sind aber auf den "Tagesschau"-Rollen in der Regel nicht zu sehen.


www.drefa-msg.de

( dpa )