Hamburg. Die barocke Arp-Schnitger-Orgel in der Hauptkirche St. Jacobi scheint entfesselt. Sextolen tänzeln, flattern und schäumen in rasendem Tempo, gestützt auf wenige Akkorde. Hin und wieder winkt Johann Sebastian Bach um die Ecke, versucht das Ohr eine vertraute Wendung festzuhalten, aber sogleich legen sich neue Girlanden darüber. Brausen und Stille wechseln miteinander ab wie in einer der großen bachschen Fugen. Schließlich siegt die hypnotisierende Wirkung der Endlosschleife, der Hörer überlässt sich der puren Schönheit des Orgelklangs.
Die "Bachmaschine" steht im Zentrum des Programms "Das wohlgenerierte Clavier 2", das der Komponist und Organist Michael Petermann im Rahmen des "Blurred Edges"-Festivals aufgeführt hat. Schon wegen der Trägheit der Orgelregister wären die Kompositionen für einen Organisten aus Fleisch und Blut nicht zu spielen. Das übernimmt der Computer. Stunden- und tagelang hat Petermann Tausende von Orgeltönen aufgenommen, hat damit die Stimmen aus Toccaten, Präludien und Fugen von Bach neu montiert, übereinander geschichtet und dann einprogrammiert. Nur die wummernden Basstöne verraten, dass es in die Orgel eingebaute Lautsprecher sind, die da erklingen, und nicht die Orgelpfeifen selbst.
In "Save Bach" lässt Petermann Stakkati verschiedener Geschwindigkeit unerbittlich gegeneinanderprallen und sich gegeneinander verschieben. Durch Schlagwerk- und Trompetenklänge hindurch schimmert von ferne das berühmte C-Dur-Präludium aus Bachs "Wohltemperiertem Klavier".
Zum Schluss kommen Petermann und die Orgel doch noch persönlich zu Wort. Auch Bachs "Lentement" aus der Orgelfantasie G-Dur BWV 572 dreht sich wieder tranceartig um sich selbst. So bruchlos scheint es an das vorher Gehörte anzuknüpfen, als lägen nicht Hunderte von Jahren zwischen den Kompositionen. Und dem Betrachter ist es gar, als begännen die Orgelpfeifen zu tanzen.
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